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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
27. WOCHE - MITTWOCH

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VATER UNSER

Das Gebet des Herrn.
Gotteskindschaft und Gebet.
In die Gemeinschaft der Heiligen eingebunden.

I. Die Jünger hatten oft beobachtet, wie der Herr sich zurückzog, um zu beten: allein und nicht selten die ganze Nacht hindurch. Auch sie waren betende Menschen. Aber der Anblick des betenden Herrn läßt sie den Wunsch verspüren, besser zu beten. Eines Tages, so hören wir im heutigen Evangelium, als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten. »Das Gebet ist also nicht nur unmittelbare, ganz persönliche Žußerung des Herzens. Es gibt etwas zu lernen und zu üben am Beten. Man kann sich durch den Rat und die Erfahrung anderer anleiten und fördern lassen. Auf ihre Bitte hin schenkt Jesus den Jüngern das Vaterunser.«2

Keine Worte sind so oft über Menschenlippen gegangen wie dieses Gebet des Herrn. Die Bitten des Vaterunser sind »so einfach, daß ein Kind sie lernen kann, und zugleich so tief, daß man ein ganzes Leben lang bei deren Betrachtung verweilen könnte.«3 Vor allem aber: Sie sind Bitten, die wir an einen Vater richten. »Abba« ist die familiäre Anrede, das Wort, das kleine Kinder gebrauchen. Als Anrede Gottes kommt es im Alten Testament nicht vor; ein frommer Jude hätte es nie gewagt, sich so an Gott zu wenden. Jesus offenbart uns, daß derselbe Gott, der seine Schöpfung unendlich übersteigt, uns unsagbar nahe ist. »Den anderen Geschöpfen« erläutert Thomas von Aquin, »hat er kleine Gaben geschenkt, uns aber die Erbschaft. Denn wir sind seine Kinder, und als solche seine Erben: Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so daß ihr euch immer noch fürchten müßtet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! ( 8,15).«4

Das Vaterunser »wird durch die Lehren aufgeschlossen, die es im Matthäusevangelium umgeben und die wir die Bergpredigt nennen. Es wird durch Gleichnisse beleuchtet, mit denen der Herr das Verhältnis des Vaters zu den Menschen deutet, wie das vom verlorenen Sohn. Aus diesem Zusammenhang heraus muß es verstanden werden, dann wird es zu einem lebendigen Weg, der uns zum Vater führt. Dann leuchtet dessen Angesicht uns auf, und wir fühlen sein Herz.«5

Das Herz Gottes ... Wer einmal das Vaterunser in starker Not und äußerster Hilfsbedürftigkeit gebetet hat - inständig, eindringlich, ja leidenschaftlich -, weiß, wie es sich einprägen kann und dem Beten in den Niederungen des Alltags guttut. Das Vaterunser soll unser ganzes Leben prägen, denn, nach einem Wort des Kirchenvaters Cyprian, »wenn wir Gott unseren Vater nennen, müssen wir bedenken, daß wir uns als Kinder Gottes benehmen sollen.«6

II. Viele tun sich mit dem Gebet schwer: »Wir wissen nicht recht, wie man das macht, und vielleicht sind all die großen grundsätzlichen Schwierigkeiten doch nur ein ideologischer Überbau, der diese unsere faktische Unfähigkeit, unser Nicht-fertig-Werden mit dem Gebet rechtfertigen soll: Weil wir's nicht können, erfinden wir eine Theorie, die uns sagt, daß wir es gar nicht können können, weil es überhaupt nicht mehr geht und gar keinen Sinn mehr hat. An welchem Ende wir auch anfangen, stoßen wir auf Schwierigkeiten: Bittgebet, nun das scheint eben wirklich ein Mißverständnis unserer selbst und Gottes zu sein - schließlich ist Gott nicht unser Bedienter (...). Aber Lobgebet und Anbetung, das gelingt uns noch viel weniger und kommt uns im Grund auch ein wenig albern vor: Was kann es schon vor Gott bedeuten, wenn wir ein Lob auf ihn stammeln?«7

Mit dem Vaterunser gibt uns der Herr die Antwort auf diese Schwierigkeiten. Wir sind manchmal in einer ähnlichen Stimmung wie der ältere Sohn im Gleichnis vom verlorenen Sohn, der seinem Vater gereizt begegnet; aber dieser antwortet ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir.8

Wenn es uns gelingt, unsere Beziehung zu Gott auf diese Grundlage zu stellen - du bist immer bei mir, alles, was mein ist, ist auch dein - dann ist unser Leben nicht mehr ein dunkles Rätsel - Ratlosigkeit wegen des Heute, Angst vor dem Morgen -, sondern Beglückung, im Haus des Vaters sein zu dürfen, und Auftrag: Geht auch ihr in meinen Weinberg, seht die ganze Schöpfung als mein Eigentum und eure Aufgabe. Dann meistern wir unser Leben ohne Angst - nicht selbstherrlich, sondern kindhaft fromm. »Die Frömmigkeit, die aus der Gotteskindschaft erwächst, ist eine zutiefst in der Seele verwurzelte Haltung, die schließlich das ganze Dasein eines Menschen erfaßt; sie ist gegenwärtig in jedem Gedanken, in jedem Wunsch, in jeder Gemütsregung.«10

Das Wort »Abba, Vater« verbindet unser Beten mit dem Beten Jesu, auch wenn seine Sohnschaft anders ist als unsere Gotteskindschaft. Er hat uns während der Zeit seines öffentlichen Lebens gelehrt, wie Frömmigkeit und Gotteskindschaft zusammengehören. Das Evangelium schildert uns die Umstände seines Betens: Nachdem er weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Spät am Abend war er immer noch allein auf dem Berg. Es erinnert uns daran, mitten in unseren alltäglichen Beschäftigungen eine feste Zeit für Gott zu finden. Es lehrt uns, daß er nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben, betet, und fordert uns auf, zu wachen und zu beten, damit wir nicht in Versuchung geraten und treu bleiben bis zum Ende. Sein Gebet in Getsemani - Abba, Vater (...) nicht, was ich will, sondern was du willst - lehrt uns in der Not beten, sein Gebet am Kreuz - Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun - lehrt uns auch inmitten ärgster Anfeindungen unser Herz nicht zu verschließen.

Die Wurzeln von alldem liegen im Vaterunser, im Abba, Vater: »Du mein Vater - rede ihn so an, voll Vertrauen! -, mein Vater im Himmel: Blicke in barmherziger Liebe auf mich herab, und gewähre mir, daß ich dieser Liebe entspreche.

Gib, daß mein steinernes Herz sich erweichen läßt! Entflamme es! Durchdringe und läutere mein unbußfertiges Fleisch! Erleuchte meinen Verstand mit dem Lichte des Himmels! Laß meinen Mund die Liebe und die Herrlichkeit Christi verkünden!«17

III. Unser Gebet soll demütig wie das Gebet des Zöllners, beharrlich wie das des zudringlichen Freundes und der aufdringlichen Witwe sein. Es soll persönlich - Geh in deine Kammer (...) und schließ die Tür zu - und doch offen für alle sein: »Das Gebet, das Jesus uns lehrt, beginnt: Vater. Deshalb darf ich nicht nur um tägliches Brot, um die Vergebung Schuld, um Rettung vor dem Verderben bitten. Vor Gott stehe ich immer in der Reihe der Brüder und Schwestern. Ihre Gefährdungen und Leiden sind unlösbar mit meinen eigenen verknüpft. Eine Gebetspraxis, die das nicht ernstnimmt, gleitet in einen religiös verkappten Egoismus ab.«"21

Wenn wir Gott unseren Vater nennen, erkennen wir an, daß wir Brüder und Schwestern haben, deren Nöte uns etwas angehen. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht mit fremdem Leid, mit Hilfsbedürftigkeit, quälenden Fragen und ungelösten Problemen konfrontiert werden: im Kreis der Familie, der Freunde oder der Arbeitskollegen, bei der Zeitungslektüre oder wenn wir fernsehen.

Unser Gebet für alle Brüder und Schwestern erinnert uns außerdem daran, daß jene, die uns jeden Tag begegnen, ein Recht darauf haben, als Brüder und Schwestern behandelt zu werden: Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht.22

Das Vaterunser ist das Gebet, das die Gemeinschaft der Heiligen untereinander verbindet. Wir beten für andere: für alle Menschen, auch für jene, die das Gebet nie gekannt haben, und für jene, die es nicht mehr kennen, und für jene, die nicht beten wollen. Wir leihen unsere Stimme all denen, die nicht wissen oder vergessen haben, daß sie einen allmächtigen Vater im Himmel haben. Ebenso danken wir für alle, die niemals danken. Und wir bitten für die Bedürftigen, die diese Quelle der Kraft nicht kennen.

Ebenso beten andere für uns und machen sich mit ihrem Vaterunser unsere Nöte und unsere Freuden zu eigen. Es entsteht ein Netz der gegenseitigen Fürbitten. Das ist unser Glaube, den wir - persönlich oder miteinander, aber immer eingebunden in die Gemeinschaft - mit Maria, mit allen Heiligen, mit allen Gläubigen bekennen.

11,1-4. - F.Hengsbach, Was gilt? Kurze Darlegung des katholischen Glaubens Bd.2, Sankt Augustin 1977, S.11. - Johannes Paul II., Ansprache vom 14.3.1979. - Thomas von Aquin, Über das Vaterunser. - R.Guardini, Vorschule des Betens, Mainz 1986, S.90. - Cyprian von Karthago, Über das Gebet des Herrn, 11. - J.Kard.Ratzinger, Dogma und Verkündigung, München 1973, S.122. - 15,31. - 20,4. - J.Escrivá, Freunde Gottes, 146. - 14,23. - 17,20. - vgl. 26,41. - vgl. 21,36. - 14,36. - 23,34. - J.Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr.3. - vgl. 18,9-14. - vgl. 11,5-8;18,1-8. - 6,6. - F.Hengsbach, Was gilt? Kurze Darlegung des katholischen Glaubens Bd.2, Sankt Augustin 1977, S.23. - 4,20.

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