JAHRESKREIS
26. WOCHE - MITTWOCH
24
UM
CHRISTUS ZU FOLGEN
Nachfolge
und Bereitschaft zur Loslösung.
Innere Freiheit gegenüber dem Konsumdenken.
Was Loslösung im Alltag bedeutet.
I. Der
Mann, der im heutigen Evangelium
zu Jesus spricht, ist fest entschlossen, ihm zu folgen. Wunsch und Bitte
verbinden sich in seinen Worten:
Ich will
dir folgen, wohin du auch gehst.
Der Herr weist ihn nicht ab, er sagt ihm aber auch nicht gleich: Nun also, folge
mir. Christus kennt die Herzen der Menschen. Vielleicht sah er, daß dieser
begeisterte Anhänger seinen Entschluß in einem inneren Reifungsprozeß noch
vertiefen mußte. Deshalb macht er ihn zuerst auf die Konsequenzen echter
Nachfolge aufmerksam:
Die
Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat
keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.
Wir
wissen nicht, wie jener reagiert hat. Vielleicht hat er seine Bitte bekräftigt,
vielleicht ist er nachdenklich geworden, weil er gemerkt hat, daß sein Wunsch,
wenngleich redlich, doch noch auf zu schwachem Fundament ruhte.
Dem Herrn
genügt nicht der bloße Wunsch zur Nachfolge, getragen vielleicht von
Gefühlsüberschwang, aber naiv, weil die Niederungen des Alltags unbekümmert
außer acht lassend. Von Anfang an schenkt er jenen, die seine Jünger werden
wollen, klaren Wein ein. Sie sollen eine gereifte, kluge Entscheidung treffen.
Die
damalige Situation jetzt im Gebet erwägend, erkennen wir in der Mahnung des
Herrn einen Hinweis, daß zur Nachfolge die Bereitschaft gehört, auf ein bequemes
Leben und - wenn nötig - auch auf an sich legitime irdische Güter zu verzichten.
Vor allem
ist eine souveräne Art im Umgang mit irdischem Besitz wichtig. Der Jünger
Christi soll die Dinge dieser Welt gebrauchen, aber nicht ihr Sklave werden.
Papst Johannes Paul II. mahnt uns: »Der Mensch kann nicht auf sich selber
verzichten noch auf den Platz, der ihm in der sichtbaren Welt zukommt; er darf
nicht Sklave der Dinge, Sklave der Wirtschaftssysteme, Sklave der Produktion,
Sklave der eigenen Produkte werden.«2 Es gibt geschichtliche Epochen - und die
unsere gehört dazu -, in denen die Einstellung des Menschen sich mehr auf das »=
2. Es gibt geschichtliche Epochen - und die unsere geh”rt dazu -, in denen die
Einstellung des Menschen sich mehr auf das Haben« als auf das »Sein« richtet.
Vor diesem Hintergrund klingen die heutigen Worte des Herrn besonders hart.
»Nicht das Verlangen nach einem besseren Leben ist schlecht, sondern falsch ist
ein Lebensstil, der vorgibt, dann besser zu sein, wenn er auf das Haben und
nicht auf das Sein ausgerichtet ist. Man will mehr haben, nicht um mehr zu sein,
sondern um das Leben in Selbstgefälligkeit zu konsumieren.«3
Der Herr
möchte dem, der ihm folgen will, sagen: Du mußt bereit sein, im Geist der Armut
und Loslösung zu leben, du mußt also, wenn du jetzt Ja zu meiner Nachfolge
sagst, diese Armut und diese Loslösung im voraus wollen, sie lieben, dein Herz
frei von irdischen Anhänglichkeiten halten. Du wirst auch dann den Geist der
Armut lieben müssen, wenn du mit irdischen Gütern gesegnet bist, denn die
christliche Sicht der Loslösung und der Armut richtet sich nicht nach
materiellen Kriterien, sondern nach dem inneren Grad der Freiheit: »Die Armut,
die Jesus für selig erklärt hat, ist jene Armut, die in Loslösung,
Gottvertrauen, Zurückhaltung und Bereitschaft zu teilen besteht«4. Wie der
Apostel Paulus schreibt: Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluß
leben. In jedes und alles bin ich eingeweiht: in Sattsein und Hunger, Überfluß
und Entbehrung. Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt.5
II. Jesus
hat nicht von allen Menschen, die gläubig wurden, diesselbe Art der Nachfolge
gefordert. Ihm so unmittelbar zu folgen wie damals, als er auf Erden weilte,
erforderte seitens jener, die ihn auf seinen Wegen begleiteten, sich von allen
Bindungen freizumachen. Der Kern dieser Forderungen bleibt auch dann gültig,
wenn die Nachfolge nicht mehr in einem Zurücklassen aller materiellen Dinge
besteht.
Wahre
Armut ist für einen Christen die Loslösung im Herzen, das innere Freisein vom
»Habenwollen«. Wahre Armut ist deshalb mit dem exzessiven Streben nach Gütern,
mit existentiellen Zukunftsängsten, die zum Horten von Besitz führen, oder mit
der Zurschaustellung des eigenen Wohlstands unvereinbar. »Das Streben nach einem
angemessenen Auskommen ist legitim. Die Grenze zwischen Angemessenheit und Luxus
freilich ist fließend. Johannes Paul II. schreibt: »Bei der Entdeckung neuer
Bedürfnisse und neuer Möglichkeiten, sie zu befriedigen, muß man sich von einem
Menschenbild leiten lassen, das alle Dimensionen seines Seins berücksichtigt und
die materiellen und triebhaften den inneren und geistigen unterordnet. Überläßt
man sich hingegen direkt seinen Trieben, unter Verkennung der Werte des
persönlichen Gewissens und der Freiheit, können Konsumgewohnheiten und
Lebensweisen entstehen, die objektiv unzulässig sind und nicht selten der
körperlichen und geistigen Gesundheit schaden.«6 Deshalb wird einer, der als
Jünger Christi leben will, sich vieles versagen, was er sich leisten könnte.
Sein Lebensstandard wird bestimmt von der christlichen Würde innerer Freiheit,
nicht von den Zwängen der Werbung, von einem mondänen Lebensstil oder von
modischer Schnellebigkeit. Solch innere Haltung des Freiseins schenkt eine
Unabhängigkeit, die sich auch in Zeiten der Not - wenn sie einmal kommen -
bewährt. Es ist die Erfahrung, die Josemaría Escrivá schildert: »Ich schreibe
diese Worte für dich ab, weil sie dir helfen können, den Frieden zu finden:
>Meine finanzielle Situation ist so prekär wie nie zuvor. Aber ich verliere die
innere Ruhe nicht. Denn ich bin absolut sicher, daß Gott, mein Vater, diese
ganze Angelegenheit auf einen Schlag lösen wird.
In Deine
gütigen Hände, Herr, will ich die Sorge um alles legen, was mein ist. Unsere
Mutter - Deine Mutter - hat Dir sicherlich schon wie damals in Kana die Kunde
gebracht: Sie haben nichts mehr! ... Jesus, ich glaube an Dich, ich hoffe auf
Dich, ich liebe Dich. Nichts will ich für mich. Alles, worum ich bitte, ist für
die anderen bestimmt.<«7
III. Wir
wollen Christus nahe folgen, seine Worte beherzigen, sein Leben nachahmen. Was
bedeutet dann Loslösung im Alltag? Ein geistlicher Autor gibt uns folgenden
Hinweis: »Ein klares Zeichen echter Loslösung ist, daß man nichts - wirklich
nichts - als Eigentum betrachtet.«8 Nichts als Eigentum betrachten ... So gehört
zu einer richtig verstandenen christlichen Armut der schonende Umgang mit den
Gütern, über die wir verfügen; die Pflege der Kleidung, die rechtzeitige
Reparatur eines Möbelstücks, großzügig zu spenden, Almosen zu geben...
Ein
weiterer Hinweis: sich vom Überflüssigen freimachen. Manchmal häufen sich Dinge
in Schränken, Schubladen oder Abstellkammern, Kleidung, Sportsachen,
Schreibutensilien, Haushaltsgerät und dergleichen mehr. Solche Dinge werden wohl
nicht zu Götzen, aber sie sind Ballast, und vor allem schaffen sie eine spießige
Atmosphäre um uns. Daher die Mahnung: »Im Alltagsleben müssen wir viel von uns
fordern, damit wir uns nicht bei falschen Sorgen und künstlichen Bedürfnissen
aufhalten, die wir selbst erfinden; sie stammen meist aus Einbildung,
Launenhaftigkeit, Bequemlichkeit und aus der Trägheit des Geistes. Wir sollen
schnellen Schrittes Gott entgegengehen, und dazu ist es nötig, hinderlichen
Ballast abzuwerfen.«9
Das Wort
des Herrn im heutigen Evangelium erreicht jeden in seiner konkreten
Lebenssituation. Bei aller Vielfalt der Umstände, bleibt eins gemeinsam: »Hänge
dein Herz nicht an Vergängliches! Laß Christus dir Vorbild sein, der um
unsertwillen die Armut wählte und nichts besaß, wohin er sein Haupt hätte legen
können.
Bitte ihn
darum, daß er dir mitten in der Welt die wirkliche, uneingeschränkte Loslösung
von den irdischen Dingen gewährt.«10
9,57-69. -
Johannes Paul II., Enz.
Redemptor
hominis,
16. -
Johannes Paul II., Enz.
Centesimus annus,
36. -
vgl.
Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über die christliche Freiheit
und die Befreiung,
22.3.86, 66. -
4,12-13. -
Johannes Paul II., Enz.
Centesimus annus,
36. -
J.Escrivá,
Im Feuer
der Schmiede,
Nr.807. -
ebd., Nr.524. -
ders.,
Freunde
Gottes,
125. -
ders.,
Im Feuer
der Schmiede,
Nr.523.