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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
13. WOCHE - MITTWOCH

6

materialistische verstocktheit

Jesu Macht über die Dämonen.
Loslösung.
Die Vorsehung.

I. Vielleicht suchte Jesus einen ruhigen Ort, um mit den Seinen allein zu sein, als er in das Gebiet von Gadara am anderen Ufer des Sees Gennesaret kam.1 »Die Dekapolis - Zehnstadt - bestand aus einer Reihe von Städten, die seit der Zeit Alexanders des Großen zu Orten mit vorwiegend griechischer Bevölkerung und hellenistischer Kultur geworden waren.«2 Es war also eine heidnische Gegend, und dies mag die Anwesenheit einer weidenden Schweineherde erklären, die sonst unverständlich wäre, da den Juden der Genuß von Schweinefleisch verboten war. Matthäus schildert viel zurückhaltender als Markus3 die schaurige Szene mit den zwei Besessenen, die in Grabhöhlen hausten und so gefährlich waren, daß niemand den Weg benutzen konnte, der dort vorbeiführte.

Als sie Jesus entgegenkommen, geschieht etwas Sonderbares. Diesmal hören wir keine Bitte um Heilung, sondern nur den verzweifelten Ruf der Dämonen, die ahnen, daß Jesus - sie nennen ihn Sohn Gottes - die zwei armen Menschen aus ihrer Gewalt befreien wird: Bist du hergekommen, um uns schon vor der Zeit zu quälen? Es ist, als sähen sie bereits den Triumph Christi. Wenn du uns austreibst, dann schick uns in die Schweineherde! Der Herr erlaubt es. Da verließen sie die beiden und fuhren in die Schweine.

Daraufhin raste die ganze Herde den Abhang hinab in den See. Wahrscheinlich wurde dadurch ein Reicher arm. Warum ließ der Herr es zu? Wenn wir die Handlungen des Herrn auf ihre zeichenhafte Bedeutung hin befragen, sind seine Wunder Machtzeichen. Aber es ist auch gut, ihn in seinem Tun gewähren zu lassen, ohne gleich nach symbolischen Ausdeutungen zu suchen. Jedoch drängt sich hier die Frage auf. Was wollte er andeuten, als er auf die seltsame Bitte der Dämonen einging? Wollte er die zerstörerische Energie aufdecken, der jene zwei Menschen ausgeliefert waren? Wollte er zeigen, daß der Zusammenbruch gewaltiger irdischer Reichtümer nichts bedeutet im Vergleich zur Rettung eines Menschen? Wir können es so deuten.

Was dann folgt - teils verständlich, teils entsetzlich - bestätigt dies. Die Hirten flohen, liefen in die Stadt und erzählten dort alles. Es heißt dann: Die ganze Stadt zog zu Jesus heraus. Aber die Einwohner dachten nicht an die zwei von den Dämonen Befreiten, sondern an den verlorengegangenen Besitz. Keiner sagt dem Herrn - wie bei anderen Gelegenheiten im Evangelium -, er möge bleiben. Vielmehr baten sie ihn, ihr Gebiet zu verlassen.

Was für eine Tragik in jenem Augenblick. Jene Menschen stehen vor der entscheidenden Situation ihres Lebens. Und sie versagen sich Jesus, dem menschgewordenen Sohn Gottes. Sie haben ihn doch so nah bei sich! Und doch baten sie ihn, er möge weiterziehen! Ihn, der alle Güter in sich vereinigt! War es, weil sie Heiden waren? Aber »das Verlangen nach Gott ist dem Menschen ins Herz geschrieben, denn der Mensch ist von Gott und für Gott erschaffen«4. Oder war es die panische Angst, ihren Besitz zu verlieren, die sie blind machte? Häufig »erscheint der Ausschluß Gottes nicht so sehr als bewußter Gegensatz zu ihm, sondern als Vergessenheit und Gleichgültigkeit ihm gegenüber, als ob man sich bei dem geplanten gemeinschaftlichen Handeln des Menschen um Gott nicht zu kümmern brauche.«5

Der Herr erhellt Schmerz, Freude, Leben, Tod, Arbeiten..., ohne ihn ist alles das nichts wert. Und trotzdem versucht man, eine Welt aufzubauen ohne ihn, in der es für ihn keinen Platz gibt. Der, der allem seinen Sinn verleiht, wird ausgeschlossen. »Ausschluß Gottes, Bruch mit Gott, Ungehorsam gegen Gott: Das war und ist die Sünde in der ganzen Menschheitsgeschichte, in ihren verschiedenen Formen bis hin zu Verneinung Gottes und seiner Existenz.«6 Wie hermetisch können Menschen gegenüber der Gnade sein, wenn sie die materiellen Güter in den Vordergrund stellen.

II. Wie reich wären die Einwohner von Gadara beschenkt worden, hätten sie Jesus aufgenommen! Doch sie waren für die innere Wahrheit blind und nur auf das Materielle fixiert. Auch heute ist Gott für viele ein Störenfried. Sie wollen ihr Glück planen und glauben, es wäre käuflich. Sie machen den materiellen Besitz zu ihrem Lebensziel und werden unfähig, das Handeln Gottes in ihrem Leben und in der Welt wahrzunehmen. So ist in den Wohlstandsländern eine Art von Überentwicklung entstanden, die »im Gegensatz zum wahren Wohl und Glück steht. Denn diese Überentwicklung, die in einer übertriebenen Verfügbarkeit von jeder Art materieller Güter zugunsten einiger sozialer Schichten besteht, macht die Menschen leicht zu Sklaven des >Besitzens< und des unmittelbaren Genießens, ohne eine andere Perspektive als die Vermehrung oder den ständigen Austausch der Dinge, die man schon besitzt, gegen andere immer perfektere. Das ist die sogenannte Konsumgesellschaft oder der Konsumismus, der so viele >Verschwendung< und >Abfälle< mit sich bringt.«7 Wer sich unkritisch einer solchen Mentalität hingibt, ähnelt den Bewohnern von Gadara im heutigen Evangelium. Man bittet Jesus, er möge weiterziehen. Man landet schließlich in spiritueller Öde und wird in dem Maße ärmer, in dem man reicher wird.

Die Begegnung mit dem Herrn kam für die Bewohner jener Stadt unerwartet. Ebenso unerwartet sucht er uns auf. Wir suchen ihn in der Gesundheit, und er kommt in der Krankheit; wir suchen ihn in tausend Aktivitäten, und er kommt in der erzwungenen Untätigkeit eines Gebrechens; wir suchen ihn im Erfolg, und er kommt in einem geschäftlichen Ruin. Er hat, anders als die unsere, seine Logik. Wer kann den Verlust eines geliebten Menschen, den Schock, unheilbar krank zu sein, die Heimsuchung durch ein schweres Leiden logisch einordnen? Solche Geschicke stellen unser Vertrauen auf einen Schöpfer und Vater, das wir hin und wieder in schönen Augenblicken dankbar empfinden, auf eine harte Probe. Das Unfaßbare wird erst dann akzeptabel, wenn man sich einer übergeordneten, dem naturhaften Denken verborgenen Sicht der Wirklichkeit öffnet.

Wem das gelingt, der kann darauf vertrauen, daß sich schwer Faßbares doch in ein Ganzes einfügt. Er kann dann betend sprechen: »Du willst es Herr? Dann will ich es auch!«8

Stellen wir uns vor, jene Heiden hätten sich nach dem Verlust ihrer Schweineherde Jesus geöffnet. Sie hätten erfahren, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt9. Der materielle Verlust wäre für sie zu einem Mosaikstein im Plan Gottes für ihr Leben geworden. Und vielleicht wären sie die ersten Glaubensboten außerhalb Israels geworden.

Prägen wir uns also ein, »daß der aufrichtige Wunsch, dem Herrn von nahem zu folgen und Gott und den Menschen wirklich zu dienen, die ungeschmälerte Loslösung vom eigenen Ich erfordert: von den Gaben des Intellekts, von der Gesundheit, der Ehre, von noblen Ambitionen, von Erfolgen und Triumphen.

Ja, auch jene guten Anliegen schließe ich hier ein, (...) die aus dem Wunsch hervorgehen, nur die Ehre Gottes zu suchen und ihn in allem zu preisen. Bei solchen Anliegen soll unser Wille klar und bestimmt reagieren: Herr, ich möchte dies oder jenes, aber nur, wenn es dir gefällt, wozu sonst nützte es mir? Wir versetzen so dem Egoismus und der Eitelkeit, die sich in unser Herz einschleichen, den Todesstoß und gewinnen auf diesem Weg den wahren Frieden der Seele; denn in dem Maße, da sie sich loslöst, birgt sie sich inniger und stärker in Gottes Armen.«10

III. Der Verlust der Schweineherde war, rein irdisch betrachtet, ein Unglück; aber es bewirkte, daß die Hirten ins Dorf liefen und die Bewohner auf Jesus hinwiesen, der da in ihrer Nähe war. Die Frau, die dem Meister in Kafarnaum begegnete, war jahrelang krank und hatte jede Hoffnung auf die Ärzte verloren, und genau dies führte sie zu Jesus und ließ sie den Saum seines Gewandes berühren. Diesen Begebenheiten im Evangelium könnten wir viele andere aus unserem Alltag hinzufügen, in denen die Vorsehung Gottes aufscheint. »Danach wird, was immer in der Welt ist und vor sich geht, durch die Liebe, Weisheit und Macht des Vaters zum Heil des glaubenden Menschen gelenkt.«11 Scheinbar isoliertes Geschehen greift ineinander, sein Zusammenhang wird uns erst rückblickend deutlich. Einzelne Begebenheiten erhalten erst aufs Ganze gesehen ihre eigentliche Bedeutung in unserem Leben. Oft danken wir dann dafür, daß damals nicht das geschah, was wir erfleht hatten, sondern etwas anderes, gegen das wir uns wehrten. Was uns als ein Gut erstrebenswert erscheint, kann im Zusammenhang unseres Lebens ein Übel sein. Was uns ein Übel zu sein scheint, ist es vielleicht gar nicht, wenn wir es auf unser Heil hin betrachten. Aber eine solch umfassende Sicht ist uns im Augenblick des Geschehens selten möglich. Der Glaube indessen sagt uns: Gott fügt alles zu unserem Besten. Die Vorsehung ist »kein Märchen, sondern Wirklichkeit; doch nicht jene Wirklichkeit, die ohnehin da ist, der Natur oder der Geschichte, sondern eine, die von Gott her wird. Das aber nicht in einem geheimen Raum neben Natur und Geschichte, sondern mitten in diesem. Sie wird nicht, wie die Bilder des Märchens, mit der Phantasie, auch nicht, wie die Dinge des unmittelbaren Daseins, durch natürliche Beobachtung und Verstand, sondern im Glauben aufgefaßt. Wir hören von ihr durch Gottes Wort und müssen es auf sie hin wagen: dann ersteht sie zwischen Gott und uns.«12

Unglück - Krankheit, Leid, Ruin - kann uns zu Jesus führen. In ihm finden wir die Kraft, es zu ertragen und als Anruf zu vernehmen, ähnlich wie die Worte der trauernden Marta zu ihrer Schwester Maria: Der Meister ist da und läßt dich rufen.13 Unglück kann uns aber auch von Jesus entfernen oder die Suche nach Gott erschweren, wenn man die eigenen Pläne mehr als Gottes Willen liebt, den wir manchmal nicht begreifen.

Beim Herrn dienen die Ereignisse unseres Lebens dazu, uns von allem loszulösen, was ihn verdrängen könnte. Wie dankbar wären die Einwohner von Gadara gewesen, wenn sie begriffen hätten, wer Jesus war! Sie hätten ihr Pech vergessen und stattdessen ein großes Fest gefeiert.

Werfen wir zum Schluß einen Blick auf die Geheilten. Markus und Lukas14 - sie sprechen von einem einzigen Besessenen - ergänzen den Bericht des Matthäus über den Augenblick der Heilung hinaus. Als Jesus - der Aufforderung der Bewohner entsprechend - jene Gegend verließ, bat ihn der Geheilte, bei ihm bleiben zu dürfen. Aber Jesus erlaubte es ihm nicht, sondern sagte: Geh nach Hause, und berichte deiner Familie alles, was der Herr für dich getan und wie er Erbarmen mit dir gehabt hat. Wir können uns vorstellen, mit welcher Freude er dies tat, vielleicht sein Leben lang. Der Herr versagte ihm die Nachfolge nicht, er zeigte ihm nur, daß seine Sendung eine andere war als die derer, die mit ihm umherzogen. Der Geheilte sollte dort Zeugnis ablegen, wo man Jesus abgewiesen hatte. Denn er verkündete in der ganzen Dekapolis, was Jesus für ihn getan hatte. Eine neue Chance für die Blinden oder Verstockten...

1 Mt 8,28-34. - 2 G. Kroll, Auf den Spuren Jesu, Stuttgart 1988, S. 256. - 3 vgl. Mk 5,1-17. - 4 Katechismus der Katholischen Kirche, 27. - 5 Johannes Paul II., Apost. Schreiben Reconciliatio et paenitentia, 2.12.1984, 14. - 6 ebd. - 7 Johannes Paul II., Enz. Solicitudo rei socialis, 28. - 8 J. Escrivá, Der Weg, Nr. 762. - 9 Röm 8,28. - 10 J. Escrivá, Freunde Gottes, 114. - 11 R. Guardini, Vorschule des Betens, Mainz 1986, S. 122. - 12 ebd., S. 124-125. - 13 Joh 11,28. - 14 vgl. Mk 5,1-20; Lk 8,26-39.

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