ADVENT
FREITAG DER 2. WOCHE
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LAUHEIT UND LIEBE ZU GOTT
Liebe zu Gott. Gefahr der Lauheit.
Ursachen der Lauheit.
Heilmittel gegen diese Erkrankung der
Seele.
I. Herr, wer dir nachfolgt, hat das
Licht des Lebens.(...) Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist,
der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken.1
Unser Leben hätte seinen Sinn verloren,
wenn wir vom Herrn getrennt lebten. Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast
Worte des ewigen Lebens.2 Unsere
Erfolge, alles menschliche Glück, das wir erlangen können, ist nur Spreu, die
der Wind verweht3. So
haben wir allen Grund, in unserem persönlichen Gebet den Herrn zu bitten:
»Bleibe bei uns, denn unsere Seele ist vom Nebel verdunkelt, und nur du bist das
Licht, nur du vermagst die Sehnsucht zu stillen, die uns verzehrt. Wir wissen
sehr wohl, was unter allen wunderbaren und gepriesenen Dingen das wichtigste
ist: dich immer zu besitzen, o Herr.«4
Der Herr bringt uns eine Liebe, die wie
Feuer alles durchströmt. Doch Gottes Liebe ist eine fordernde Liebe, sie gibt
sich nicht so bald zufrieden, denn sie will unsere Seele erblühen und reiche
Frucht tragen lassen.
Jeder Christ, der von der Liebe Gottes
erfüllt ist, gleicht jenem dicht belaubten Baum, von dem der Antwortpsalm
spricht. Nur wenn der Christ zuläßt, daß diese Liebe erkaltet, daß
Bequemlichkeit sich seiner bemächtigt, befällt ihn jene schlimme seelische
Krankheit, durch die er wie Spreu wird, die der Wind verweht:
die Lauheit nämlich, die das Leben schal werden läßt, selbst wenn es nach außen
hin so scheinen mag, als habe sich nichts verändert. Durch schuldhafte
Nachlässigkeit verblaßt das Bild Christi in der Seele: das Auge sieht ihn nicht,
das Ohr vernimmt ihn nicht mehr. Die Abwesenheit Gottes hinterläßt in der Seele
eine große Leere; man versucht, sie mit anderen Dingen auszufüllen; diese aber
bringen keine Erfüllung. Es schwindet die Hingabebereitschaft, und der Glaube
ermüdet aus keinem andern Grund, als daß wir die Liebe haben erkalten lassen.
Auch wenn wir irgendwann einmal
feststellen, daß wir uns innerlich von Gott entfernt haben, müssen wir wissen,
daß alle Erkrankungen der Seele heilbar sind, wenn wir sie nur mit der richtigen
Arznei angehen. Immer steht uns die Möglichkeit offen, jenen verborgenen Schatz
zu finden, Christus, der dem Leben früher seinen Sinn gab. Tun wir, was jener
Aussätzige tat, von dem uns der heilige Lukas berichtet: Sein ganzer Körper war
von Aussatz bedeckt, doch eines Tages entschloß er sich, ehrlichen Herzens und
in Demut auf Christus zuzugehen, und er wurde geheilt.5
»Sie fragten der Menschen Freund,
welches die Quelle der Liebe sei, und er antwortete ihnen, es sei die, aus der
der Herr das Wasser geschöpft habe, um uns von Schuld reinzuwaschen, die, aus
welcher er das Wasser des Lebens spende, das jedem, der es trinkt, das ewige
Leben in grenzenloser Liebe gibt.«6 Im offenen und aufrichtigen
Gebet, in den Sakramenten: Dort ist der Herr immer für uns da.
II. Wie Spreu, die der Wind verweht.
Ohne Eigengewicht und ohne Frucht. Durch gelegentliche Fehler verfallen wir
nicht notwendigerweise schon in Lauheit. Diese Seelenkrankheit »bewirkt vor
allem, daß wir mehr oder weniger unbewußt läßliche Sünden nicht mehr ernst
nehmen; sie ist ein Zustand, in dem es uns an Eifer und Willenskraft mangelt.
Lauheit ist etwas anderes als seelische Taubheit, die Abneigung gegen all das
bedeutet, was Gott oder die Religion betrifft, denn trotz all dieser
Empfindungen kann der Eifer, kann der aufrichtige Wille hier noch vorhanden
sein. Lauheit ist es auch nicht, wenn man sich häufiger läßliche Sünden
zuschulden kommen läßt, vorausgesetzt, man bereut sie aufrichtig und geht gegen
sie an. Lauheit ist vielmehr ein Zustand, in dem man es bewußt und willentlich
an Eifer mangeln läßt, eine Art dauerhafte Nachlässigkeit oder halbherzige
Frömmigkeit, die durch irrige Vorstellungen hervorgerufen wird: daß man alles
nicht so genau nehmen müsse, daß Gott viel zu groß sei, als daß es ihm um solche
Kleinigkeiten ginge, daß andere es auch so machen, und weitere Ausflüchte dieser
Art.«7
Lauheit erwächst aus einer andauernden
Nachläßigkeit im inneren Leben. Stets geht ihr eine Reihe kleinerer
Treulosigkeiten voraus, die, wenn man ihnen nicht entgegenwirkt, das Verhältnis
der Seele zu Gott trüben.
Nachlässigkeit äußert sich in einer zur
Gewohnheit gewordenen Gleichgültigkeit den kleinen Dingen gegenüber, in einem
Mangel an Reue über persönliche Verfehlungen, im Schwinden des Umgangs mit Gott.
Wer nachlässig ist, lebt ohne innere Ziele, die ihn begeistern und beflügeln
könnten. »Es geht so.« Man hat aufgehört, sich anzustrengen, man kämpft nur noch
zum Schein. Man geht dem Verzicht aus dem Wege, und »mit einem trägen und der
Übungen überdrüssigen Leib ist der Geist für Höhenflüge nur schlecht gerüstet«8.
Wer im Zustand der Lauheit ist, steht
wie auf einer Schrägen, auf der er sich von Gott immer weiter entfernt. Fast
unmerklich stellt sich eine gewisse Haltung ein, sich nur nicht zu überfordern,
zwar die Todsünde zu meiden, die läßliche Sünde hingegen recht bedenkenlos
zuzulassen.
Für mangelnde Kampfbereitschaft hält
der Laue alle möglichen Ausreden bereit: ein sogenanntes »natürliches Verhalten«
das Betriebsklima, den Stress ... Es sind Ausflüchte, die seine Anhänglichkeit
an Menschen oder materielle Dinge, den Hang zur Bequemlichkeit rechtfertigen
sollen. Dabei schwinden ihm zusehends die seelischen Kräfte.»Dem Lauen fehlt es
während der heiligen Messe an innerer Andacht; er empfängt die Kommunion
gleichgültig, weil die Liebe fehlt und die Vorbereitung. Das Gebet ist meist
vage, zerstreut und unzusammenhängend: es kommt nicht zu einer wirklichen
Begegnung mit dem Herrn. Die Gewissenserforschung - Kennzeichen eines besonders
entwickelten Feingefühls - findet nun nicht mehr statt, sei es, daß man ganz auf
sie verzichtet, sei es, daß sie nur mehr gewohnheitsmäßig und ohne Ernst
erfolgt.
In diesem traurigen Zustand verliert
der Laue den Wunsch, Gott ganz nahe zu sein: »Es schmerzt mich, dich von der
Lauheit gefährdet zu sehen, wenn ich dich in deinem Stande nicht ernsthaft um
die Vollkommenheit bemüht finde.«9
All das läßt sich wie folgt
zusammenfassen: »Du bist lau, wenn du die Dinge Gottes träge und widerwillig
tust; wenn du berechnend und raffiniert auf ein Umgehen deiner Pflichten aus
bist; wenn du nur auf dich und deine Bequemlichkeit bedacht bist; wenn deine
Unterhaltung oberflächlich und leer ist; wenn du die läßliche Sünde nicht
verabscheust; wenn du aus menschlichen Motiven handelst.«10
Wir wollen gegen diese Krankheit der
Seele kämpfen. Wir wollen wachsam sein, damit wir ihre ersten Anzeichen
erkennen, um uns dann an Maria zu wenden. Sie wird unsere Hoffnung stärken und
uns die Freude der Geburt Jesu bringen: Juble laut, Tochter Sion! Jauchze,
Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Fürchte dich nicht, denn bald
kommt dein Heil11.
Die Gottesmutter wird uns, wenn wir uns
an sie wenden, zu ihrem Sohn führen.
III. In der täglichen
Gewissenserforschung werden wir immer wieder auf Dinge stoßen, die wir am
nächsten Tag besser machen können oder in denen wir dem Herrn während des
verflossenen Tages nicht ganz treu waren und die wir daher bereuen müssen. Diese
wachsame Liebe, dieser lebendige Wunsch, den ganzen Tag über den Herrn zu
suchen, ist der Gegenpol zur Lauheit, zur Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit
gegenüber dem Herrn.
»Angesichts unserer Sünden und
Erbärmlichkeiten, angesichts unserer Fehltritte - auch wenn sie, dank der Gnade
Gottes nicht sehr schwerwiegend sind - wenden wir uns im Gebet an unseren Vater
und sagen: Herr, sieh meine Armut, meine Schwäche! Nur Tongeschirr, Herr, nur
Scherben! Aber klammere mich wieder zusammen, und dann werde ich in meiner Reue
und mit deiner Vergebung stärker und liebenswerter als vor meinem Sturz sein.
Beten wir so, wenn unser armer Ton zerbricht, und wir werden Trost finden.«12
Dann werden wir Christus wieder nahe
sein. Mit wiedererwachter Freude, mit erneuerter Demut. Demut, Aufrichtigkeit,
Reue ... und einen Neuanfang wagen. Immer wieder, wenn wir gefehlt haben, müssen
wir die Kraft finden, es aufs neue zu versuchen. Der Herr weiß ja um unsere
Anfälligkeit.
Gott vergibt immer; aber wir müssen uns
erheben, bereuen und, wenn nötig, zur Beichte gehen. Jedesmal, wenn wir uns
wieder auf den Weg gemacht haben, bricht aus der Tiefe der Seele eine
unvergleichliche Freude hervor. Noch oft werden wir im Laufe unseres Lebens
einen neuen Anfang machen müssen, denn Fehler und Schwächen bleiben, und somit
die Anfälligkeit für die Sünde. Mag dieses Gebet uns helfen, ein weiteres Mal
den Kampf aufzunehmen.
Antwortpsalm
der Messe vom Tage, Ps 1,3. -
2 Joh 6,68. -
3 Antwortpsalm,
Ps 1,4. - 4 Gregor von
Nazianz, Briefe, 212. - 5 vgl.
Lk 5,12-13. - 6 R.
Lull, Libro del Amigo y del Amado, 115. -
7 B. Baur, Die häufige
Beicht, Freiburg 1962, S.112f. -
8 Petrus v. Alcantara,
Das goldene Büchlein über die Betrachtungen und das innerliche Gebet,
Würzburg 1900, 2,3. - 9 vgl.
J. Escrivá, Der Weg, Nr. 326. -
10 ebd., Nr. 331. -
11 2. Antiphon
der Lesehore vom 1. Adventssonntag. -
12 J. Escrivá, Freunde
Gottes, 95.