JAHRESKREIS
15. WOCHE - FREITAG
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christus,
unser osterlamm
Das
jüdische Paschafest.
Beim Letzten Abendmahl.
Die heilige Messe.
I. »Gott
spricht zum Menschen durch die sichtbare Schöpfung. Der materielle Kosmos bietet
sich dem Verstand des Menschen dar, damit er in ihm die Spuren seines Schöpfers
wahrnehme. Licht und Nacht, Wind und Feuer, Wasser und Erde, Bäume und Früchte
sprechen von Gott und versinnbildlichen zugleich seine Größe und seine Nähe.«1
Ähnlich wie wir die Dinge nur im Licht sehen können, spricht in der ganzen
Schöpfung eine verborgene, »höhere« Gegenwart mit, die erst im Glauben faßbar
wird. Da der Mensch zugleich leiblich und geistig ist, bedient sich die Liturgie
der Kirche der Zeichen und Symbole. »Ihre Bedeutung wurzelt, gemäß der
göttlichen Heilspädagogik, im Schöpfungswerk und in der menschlichen Kultur.«2
Ganz deutlich wird dies in der jüdischen Paschafeler, deren Entstehen das Thema
einer der heutigen Lesungen ist.3
Entstehungsgeschichtlich bringt man die Schlachtung eines Lammes mit einem
uralten religiösen Brauch von Hirtenstämmen, das ungesäuerte Brot mit der Kultur
von Ackerbauern in Zusammenhang. Als eine Art natürlicher Gottesverehrung wurden
sie seit der Nacht des Auszugs aus Ägypten nach Gottes Willen zu Elementen des
jährlichen Paschafestes zur Erinnerung an das Heilshandeln Gottes an seinem
Volk. »Das auserwählte Volk erhält von Gott besondere Zeichen und Sinnbilder,
die sein liturgisches Leben kennzeichnen. Es sind nicht mehr bloß feierliche
Darstellungen der Kreisläufe im Kosmos und nicht bloß gesellschaftliche Gesten,
sondern Zeichen des Bundes und Symbole der Großtaten Gottes für sein Volk.«4
Das Volk
Israel gedachte Jahr für Jahr beim ersten Frühlingsvollmond des Pascha, des
Vorübergangs des rettenden Gottes, der sein Volk aus der Sklaverei befreite.
Daran schloß sich unmittelbar das siebentägige Fest der Ungesäuerten Brote an.
»Um die Mittagsstunde des 14. Nisan mußte alles mit Sauerteig gebackene Brot aus
dem Hause sein. Am übrigen Tag sowie an den sieben folgenden Festtagen kam nur
ungesäuertes Brot auf den Tisch (...). Das Paschalamm durfte nur am Ort des
Heiligtums geschlachtet und in Jerusalem gegessen werden.
Am
Nachmittag des 14. Nisan vollzog der Eigentümer oder sein Beauftragter die
Schlachtung des Paschalammes im Tempel. Das Blut sammelten die Priester in
Schalen und gossen es am Fuß des Brandopferaltares aus. Während dieses
Sühnerituals sangen die Leviten die Psalmen 113 bis 118, das sogenannte
Hallel.«5 Ein fehlerfreies, männliches, einjähriges Lamm soll das Opfertier
sein, das Zusammen mit ungesäuertem Brot und Bitterkräutern gegessen wird. Jahr
für Jahr erinnerte das ungesäuerte Brot an die Eile des Aufbruchs, die herben
Kräuter an die Bitternis der Sklaverei.
»Sowie
die Sterne am Himmel deutlich wurden, begann das Mahl. Ursprünglich standen die
Essenden, reisefertig, nach der ersten Vorschrift. Später wurde aus der strengen
Gedächtnisfeier ein Freudenmahl, das sich länger ausdehnte, so daß die
Tischgenossen, der allgemeinen Sitte gemäß, zu Tische lagen. Im Laufe des Abends
segnete der Hausherr den Tischgästen ungesäuertes Brot und bittere Kräuter; der
erste Teil des großen Lobpreises, des Hallel, wurde gesprochen und dann das Lamm
verzehrt. Nach Abschluß des Mahles wurde der dritte Becher gemischt und
gesegnet. Darauf der vierte; und dann brachte der zweite Teil des Hallel die
Feier zu Ende. So pflegte auch Jesus im Kreis der Seinen, der eine Festgemeinde
bildete, das Pascha zu begehen.«7 Er - »= 6 Er - das Osterlamm, das Sinnbild der
Erlösung Israels beim ersten Pascha= 7 - gab dem Pascha des Gottesvolkes die
ersehnte Erfüllung.«8 - gab dem Pascha des Gottesvolkes die ersehnte Erfüllung.
II.
Petrus und Johannes hatten alles für die Feier hergerichtet. Sie begann mit
einem Wort des Herrn, erfüllt von liebender Sehnsucht und von Abschiedsschmerz:
Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch
zu essen8. Dann heißt es: Er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte:
Nehmt den Wein, und verteilt ihn untereinander. »Der Kelch, von dem Lukas zuerst
spricht, ist der dritte Becher des Passah-Ritus. Jesus segnet ihn, gibt ihn
weiter, und wir hätten nach einer schönen Erklärung hinter dem Wort >nehmt hin
und teilt ihn unter euch< zu ergänzen >zum letzten Mal nach altem Brauch<. Dann
nimmt er das Brot, segnet es, bricht es, und was er ihnen gibt, sind nicht mehr
bloße Stücke vom ungesäuerten Brot der Osterzeit. Er nimmt den Kelch, segnet
ihn, und was er ihnen gibt, ist nicht mehr nur eine der heiligen Trankspenden
des Passah, sondern das Geheimnis des Neuen Bundes, der in dieser Stunde
errichtet wird. Alles aber soll nicht nur Feier einer hohen, vorübergehenden
Stunde sein, sondern Stiftung für alle Zeit; immer neu begangen, bis das Reich
Gottes erfüllt wird, und der Herr sie selbst wieder mit den Seinen in der
offenen Herrlichkeit der Neuen Schöpfung begehen wird.«9
Das ist
mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! (...)
Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.10
Was ist geschehen? Mit diesen Worten wird das Opfer des folgenden Tages auf
Golgota sakramental vorweggenommen. Das alte Pascha ist zur Erfüllung gelangt
und jene Versöhnung mit Gott, die in den Naturreligionen geahnt und in den
alttestamentlichen Opfern ersehnt wurde, vollendet. Christus »gibt den
Geschehnissen und Zeichen des Alten Bundes, vor allem dem Auszug aus Ägypten und
dem Pascha, einen neuen Sinn, denn er selbst ist die Bedeutung all dieser
Sinnbilder.«11 Als neues Opferlamm begründet er mit seinem Opfer eine neue
Wirklichkeit. Eine der Präfationen für die Osterzeit preist sie so: »Er ist das
wahre Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Durch seinen Tod hat er unseren
Tod vernichtet und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen.«12
Alle
anderen symbolischen Elemente des alten Paschafestes erhalten in der neuen
Wirklichkeit von Christus her einen neuen Sinn. Wir können die bitteren Kräuter
in Beziehung zur Bitternis der Passion setzen, und ebenso zum Schmerz unseres
eigenen Lebens. Und das Symbol der ungesäuerten Brote wird für Paulus zum Symbol
eines in Christus erneuerten Lebens: Ihr seid ja schon ungesäuertes Brot, denn
als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden. Laßt uns also das Festmahl
nicht mit dem alten Sauerteig feiern, nicht mit dem Sauerteig der Bosheit und
Schlechtigkeit, sondern mit den ungesäuerten Broten der Aufrichtigkeit und
Wahrheit.13 Auch das Fest selbst erscheint in neuem Licht. Nachdem der Herr uns
so reich beschenkt hat, sagt der Kirchenvater Johannes Chrysostomos, »solltet
ihr nicht in ständiger Feststimmung all die Tage eures irdischen Lebens sein?
Weit von uns sei jede Bedrückung wegen Armut, Krankheit oder Verfolgung. Das
gegenwärtige Leben ist Festzeit.«14
III. Wie
können wir das Geheimnis des Glaubens beim Letzten Abendmahl ein wenig erhellen?
In der Theologie des Opfers unterscheidet man den Opferwillen (oblatio) und den
Opfervollzug (immolatio). Das ganze Leben des Herrn war von Anfang an eine
einzige, immer neue oblatio: Der Herr kommt, um Gottes Willen zu erfüllen15 und
um sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele16. Er sehnt sich nach dem
Augenblick, in welchem die Taufe, mit der er getauft werden soll, schon
vollzogen sein wird17. Der Opfervollzug ist die einmalige, historische,
unwiederholbare Handlung am Kreuz, die das große Werk der Erlösung bewirkt. Aber
Jesus nahm beim Letzten Abendmahl auf sakramentale Weise das Opfer von Kalvaria
vorweg: mein Leib, für euch hingegeben; mein Blut, für euch vergossen. Deshalb
ist die heilige Messe Opfer, Vergegenwärtigung des Opfers Christi. In ihr leben
auf ewig die Opferliebe, der Opferwille, die Opferhingabe Christi. Sie ist nicht
nur eine oblatio, sie trägt in sich auch eine immolatio: den Opfervollzug der
Kirche. »Uns kommt es zu, ein Ja zu sagen zu dem, was der Herr für uns geopfert
hat. Das geschieht in der heiligen Messe. In ihr geben wir uns in Christi
einmalige Opfertat hinein und lassen davon unser Leben als ständig neuen
Opfervollzug geformt sein.«18
Das Tut
dies zu meinem Gedächtnis bedeutet etwas anderes als nur eine »Gedenkfeier« die
zurückblickt. Es öffnet vielmehr das Geheimnis der Liebe und Hingabe Christi auf
die Zukunft hin; es soll bis zum Ende aller Zeiten erneuert werden. »Wer zur
heiligen Messe geht, nimmt teil an einer Gedenkfeier, wo er aber den Bedachten
persönlich trifft, als wäre es eine Gedächtnisstunde für einen >Verstorbenen<,
der lebt und herrscht und selber unter den Seinen das Wort ergreift und den
Tisch bereitet.«19
Die
Akklamation nach der Wandlung - Geheimnis des Glaubens - soll in unserem Alltag
fortwirken: »Bemühe dich mit allen Kräften darum, daß das heilige Meßopfer Mitte
und Wurzel deines inneren Lebens ist. Der ganze Tag wird so - zuerst als
Verlängerung der vergangenen heiligen Messe, dann als Vorbereitung auf die
kommende - zu einem Gottesdienst, der sich immer neu entfaltet: in Stoßgebeten,
im Aufsuchen des Altarsakramentes, in der Darbringung deiner beruflichen Arbeit
und deines Familienlebens.«20
Die
heilige Messe soll Mitte, Wurzel, Quelle und Zenit unseres Lebens und unserer
täglichen Werke sein. Schließen wir unsere Zeit des Gebetes mit einem Hinweis
auf das Gebet bei der Darbringung von Brot und Wein: es geht auf das jüdische
Tischgebet zurück und ist »von der Erinnerung an das österliche Tischgebet
Israels erfüllt, das beim Auszug aus Ägypten gesprochen wurde im Blick auf das
Opferlamm, das geschlachtet worden war. (...) Da die jüdische Familie betete:
>Gepriesen bist du, Herr und Gott...<, sprach diese Worte auch die heilige
Familie Jesus, Maria und Josef zu Nazaret und in Betlehem und in der ägyptischen
Verbannung. (...) Vermutlich galt damals schon die Sitte: Vorbeterin ist die
Mutter der Familie, wie sie auch beim Abendgebet die Lichter am siebenarmigen
Leuchter anzündet. Dann darf sich unsere Vorstellung der Gottesmutter Maria
zuwenden und sie als unsere Vorbeterin erkennen.«21
1
Katechismus der Katholischen Kirche, 1147. - 2 ebd., 1145. - 3 Ex 11,10-12.14. -
4 Katechismus der Katholischen Kirche, 1150. - 5 G. Kroll, Auf den Spuren Jesu,
Stuttgart 1988, S. 311-312. - 6 R. Guardini, Der Herr, Würzburg 1951, S. 436. -
7 Katechismus der Katholischen Kirche, 608. - 8 Lk 22,15. - 9 R. Guardini,
a.a.O., S. 437. - 10 Lk 22,19-20. - 11 Katechismus der Katholischen Kirche,
1151. - 12 Präfation für die Osterzeit I. - 13 1 Kor 5,7-8. - 14 Johannes
Chrysostomos, Homilie zum 1. Konrintherbrief, 5,7. - 15 vgl. Hebr 10,7. - 16 Mk
10,45. - 17 vgl. Lk 12,49-50. - 18 Th. Schnitzler, Was die Messe bedeutet,
Freiburg 1976, S. 35. - 19 ebd., S. 28. - 20 J. Escrivá, Im Feuer der Schmiede,
Nr. 69. - 21 Th. Schnitzler, a.a.O., S. 123.