JAHRESKREIS
33. WOCHE - MITTWOCH
33
CHRISTUS
SOLL HERRSCHEN
Falsche
Erwartungen.
Gegenwart des Christlichen in den irdischen Wirklichkeiten.
Er soll zuerst in uns herrschen.
I. Jesus
befindet sich nahe bei Jerusalem. Viele folgen ihm in der Meinung, dort werde er
das Reich Gottes errichten, das endgültige Reich. Sie stellen sich einen
triumphalen Einzug vor, der alle Feinde, Bedränger, Besatzer in die Flucht
schlagen wird. Diese gefährliche Illusion spukte in den Köpfen vieler Juden der
damaligen Zeit. Um sie zu korrigieren, erzählt Jesus das Gleichnis im heutigen
Evangelium1.
Ein Mann
von vornehmer Herkunft wollte in ein fernes Land reisen, um die Königswürde zu
erlangen und dann zurückzukehren.
Es war üblich, daß die Vasallen des Römischen Reiches sich in Rom die
Königswürde holten. Ja, wahrscheinlich spielt der Herr hier auf die Vorgänge
nach dem Tod des Herodes an. »Als die erwarteten Erbstreitigkeiten in der
Königsfamilie ausbrachen, reisten die Herodessöhne zum Kaiser nach Rom. (...)
Herodes hatte nämlich in seinem letzten Testament den Archelaus zum Erben
eingesetzt. Dieses Testament war aber erst mit der Unterschrift des Kaisers
rechtskräftig. Darum reiste Archelaus in das ferne Rom. (...) Kaum war des
Archelaus' Schnellsegler am Horizont verschwunden, als auch Antipas mit einigen
Verwandten ein Schiff bestieg. Sie waren entschlossen, den letzten Willen des
Verstorbenen anzufechten. Aber auch die Juden blieben nicht untätig. Eine 50
Mann starke Delegation erschien beim Kaiser in Rom und verlangte die Absetzung
des Herodes-Sohnes Archelaus.«2
Die
Zuhörer werden sich bedeutungsvoll angeschaut haben, als Jesus sagte:
Da ihn aber die
Einwohner seines Landes haßten, schickten sie eine Gesandtschaft hinter ihm her
und ließen sagen: Wir wollen nicht, daß dieser Mann unser König wird.
Aber auch dies erzählt der Herr in einer bestimmten Absicht.
Das
Gleichnis Jesu soll an erster Stelle dem gefährlichen Irrtum entgegentreten,
das Reich Gottes
werde sofort erscheinen. »Bevor Jesus als verherrlichter Messias
in Macht kommt, muß er erst fortgehen. Statt des ersehnten sofortigen
Erscheinens des Reiches steht den Seinen deshalb eine Wartezeit bevor, eine Zeit
der Erprobung ihrer Treue und Tüchtigkeit.«3
Die
Hauptzüge des Gleichnisses erinnern an das Gleichnis von den Talenten bei
Matthäus4.
Bei Lukas geht es um zehn Diener, von denen am Ende - wie bei Matthäus - nur
drei Rechenschaft abgeben. Dies genügt, denn diese drei stehen für die
wesentlichen Grundhaltungen eines Menschen im Umgang mit den Gaben des Herrn. Im
heutigen Gleichnis ist der Herr
ein Mann von vornehmer Herkunft,
der ausdrücklich seinen Dienern den Auftrag gibt:
Macht Geschäfte damit, bis ich
wiederkomme.5
Hier empfängt jeder Diener die verhältnismäßig kleine Summe von je einer Mine,
den sechzigsten Teil eines Talentes.
Die
Diener bewähren sich. Sie werden dem Vertrauen ihres Herrn gerecht, der erwarten
konnte, daß seine Abwesenheit nicht eine Zeit passiven Verhaltens, sondern des
Handelns in seinem Sinne sein würde. Wir können das Gleichnis als Aufruf zur
persönlichen Verantwortung jedes einzelnen für Wachsen und Mehren des Reiches
Gottes verstehen, aber heute wollen wir es umfassender deuten und an alles
denken, was in der Welt durch das Wirken der Kirche geschehen ist und geschieht.
Seit
Pfingsten werden in der Kraft des Heiligen Geistes und im Namen Christi die
Gaben Gottes - sein Wort, seine Sakramente - der Welt ausgeteilt, und sie
bringen reiche Frucht. Und doch kann man sagen: »Vieles bleibt noch zu tun.
Etwa, weil zwanzig Jahrhunderte lang nichts geschehen ist? Nein, vieles ist in
diesen zwanzig Jahrhunderten geschehen. Das eilfertige Urteil, mit dem manche
die Arbeit früherer Generationen abwerten, scheint mir weder sachlich
gerechtfertigt noch sehr anständig zu sein. In diesen zweitausend Jahren wurde
viel und oft auch sehr gut gearbeitet. Gewiß, es ist nicht ohne Fehler und
Rückschläge abgegangen, es hat an Angst und Furchtsamkeit nicht gefehlt, doch
auch nicht an Tapferkeit und Großmut. Aber die Menschheitsfamilie erneuert sich
ständig, und so muß sich jede Generation aufs neue darum bemühen, dem Menschen
zu helfen, daß er die Größe seiner Berufung als Kind Gottes entdeckt und sich
das Gebot der Liebe zu unserem Schöpfer und zum Nächsten tief einprägt.«6
Gleichnis erwähnt. Jesu Bemerkung zielt auf jene, die seine Zuhörer sind, ihn
aber ablehnen.
II. »Von
seinem Geist belebt und geeint, schreiten wir der Vollendung der menschlichen
Geschichte entgegen, die mit dem Plan seiner Liebe zusammenfällt:
alles in
Christus dem Haupt zusammenzufassen, was im Himmel und was auf Erden ist
(Eph
1,10). Die Anwesenheit der Kirche in der Welt macht die Schätze Christi in ihr
gegenwärtig. Aber das Wirken der Kirche in der Gesellschaft vollzieht sich
vornehmlich durch das Wirken vieler einzelner. Jedem hat Gott die Zeitspanne
seines Lebens gegeben, die ihm verliehenen Gaben verliehenen Gaben fruchtbar
werden zu lassen, indem er beiträgt zum Wachsen des Reiches Gottes und zur
Gegenwart des Christlichen in den irdischen Wirklichkeiten. Denn nichts ist Gott
fremd, alles ist von ihm erschaffen und auf ihn hingeordnet.
Der Herr
sagt: Siehe ich
komme bald, und mit mir bringe ich den Lohn, und ich werde jedem geben, was
seinem Werk entspricht. Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der
Letzte, der Anfang und das Ende.8
Nur in ihm finden wir den Sinn unseres Lebens und Handelns auf Erden.
Wir
sollen treue Verwalter sein, bemüht, während der Abwesenheit ihres Herrn seine
Güter zu mehren, statt gegen ihn zu intrigieren.
Da ihn aber die Einwohner seines
Landes haßten, schickten sie eine Gesandtschaft hinter ihm her und ließen sagen:
Wir wollen nicht, daß dieser Mann unser König wird. Wir haben
bereits den historischen Hintergrund dieses Gedankenstranges im Gleichnis
erwähnt. Jesu Bemerkung zielt auf jene, die seine Zuhörer sind, ihn aber
ablehnen. Jesus sieht den Haß, der aus ihren Augen spricht, und weiß, daß seine
Güte und Barmherzigkeit ihn nur noch schüren werden bis zur Passion.
Diese
Auflehnung gegen Christus zieht sich durch die Jahrhunderte. Gibt es sie nicht
auch in unserer Zeit? In Literatur, Film und Fernsehen, in Kunst und
Wissenschaft und im permissiven Verhaltenscodex unserer Gesellschaft finden wir
häufig, offen oder versteckt, eine feindselige Haltung. Sie ist manchmal
rätselhaft; denn Christus »zwingt sich nicht als Herrscher auf, er zeigt uns
schweigend seine durchbohrten Hände und bittet um etwas Liebe.
Warum
also kennen ihn so viele Menschen nicht? Warum immer noch jenes rohe
Aufbegehren?
Nolumus hunc regnare super nos (Lk
19,14), wir wollen nicht, daß dieser als König über uns herrsche. Millionen
Menschen auf der Erde stellen sich so Christus entgegen, besser gesagt: seinem
Schattenbild, denn sie kennen Christus nicht, sie haben die Schönheit seines
Antlitzes nie gesehen, die Größe seiner Lehre nie kennengelernt.
Angesichts dieses traurigen Schauspiels fühle ich mich gedrängt, dem Herrn
Genugtuung zu leisten, und wenn ich jenen unaufhörlichen Schrei der Auflehnung
höre, der weniger in Worten als in schlechten Taten besteht, fühle ich mich
gedrängt, laut zu rufen:
Oportet illum regnare!
(1 Kor
15,25) Er soll als König herrschen. (...) Schon seit langem wiederhole ich in
meinem Inneren den Ruf:
Serviam! Ich will
dienen! Möge er in uns diesen Wunsch nach Hingabe und Treue gegenüber seinem
göttlichen Ruf mitten in der Welt, sozusagen auf der Straße, in aller
Natürlichkeit und ohne Aufsehen, stärken. Sagen wir ihm aus der Tiefe unseres
Herzens Dank. Wenden wir uns an ihn, beten wir zu ihm als seine Diener - als
seine Kinder!«9
Das
Gottesreich ist ein Reich der Freiheit, jener Freiheit, die er uns erworben hat.10
Folgen wir Christus als dem König und Herrn, als dem Heiland der Menschheit und
jedes einzelnen:
Serviam! Ich will dir
dienen, Herr, sagen wir ihm in unserem Gebet.
III. In
einem dritten Teil des Gleichnisses ist von der Heimkehr des Herrn als König die
Rede. Er belohnt die treuen Diener und bestraft jene, die seine Abwesenheit dazu
benutzt haben, gegen ihn zu intrigieren.
Denn der
Mensch »ist berufen, in Erkenntnis und Liebe am Leben Gottes teilzuhaben. Auf
dieses Ziel hin ist er geschaffen worden, und das ist der Hauptgrund für seine
Würde
de.«11 Alles soll auf dieses Ziel hingeordnet sein, damit wir ihn einmal in der
Ewigkeit mit der Muttergottes, den Engeln und allen Heiligen verherrlichen. Dies
im Blick, werden wir gute Verwalter seiner Güter sein. »Wer
seinen Leib sich unterwirft und Herr über seine Seele ist, ohne sich von
Leidenschaften überfluten zu lassen, kann als König bezeichnet werden, weil er
seine Person zu regieren vermag. Er ist frei und unabhängig und läßt sich nicht
durch eine sündige Knechtschaft
.«12
»Ihr
werdet es nie bereuen, ihn geliebt zu haben« sagt der heilige Augustinus13.
Christus ist schon auf dieser Erde ein gerechter und großzügiger Herr, der die
Treue belohnt. Um wieviel mehr erst im Himmel! Treue heißt, daß wir - bevor wir
den ewigen Lohn erhalten - sein Reich unter uns ausbreiten: Vor»allem die Laien
sollen »die Einrichtungen und Verhältnisse der Welt, wenn irgendwo Gewohnheiten
zur Sünde reizen, so heilen, daß dies alles nach den Richtlinien der
Gerechtigkeit gestaltet wird und der Ausübung der Tugenden eher förderlich als
schädlich ist. Durch solches Tun erfüllen sie die Kultur und die menschlichen
Tätigkeiten mit sittlichem Wert.«14
In Zeiten
großer Glaubensbedrängnis war »Christkönig= Abwehr gegen einen heidnischen
Laizismus, ein Sich-Besinnen auf das Starksein in Christus. Um uns auf dieses
Fest vorzubereiten, das das Kirchenjahr abschließt, kann ein Stoßgebet wie
Regnare Christum volumus, Christus soll herrschen, uns Kraft im Innere verleihen
und zu apostolischem Wirken anspornen. Jesus Christus soll zuerst in uns
herrschen - im Verstand, im Herzen, im ganzen Sein. Und durch uns dort, wo wir
leben und wirken. Wir bitten ihn: »Herr Jesus: Schenke mir ein tiefes Empfinden
für deine Gnade und eine solche Fügsamkeit ihr gegenüber, daß mein Herz - von
allem Ballast des Egoismus befreit - ganz von dir erfüllt werde. Denn du bist
mein Freund, mein Bruder, mein König, mein Gott - meine einzige Liebe.«15
Lk
19,11-28. -
2 G.Kroll,
Auf
den Spuren Jesu, Stuttgart 1988, S.75. -
3
Regensburger Neues Testament, Bd.3, Regensburg 1955, S.288. -
4
vgl.
Mt 25,14-30. -
5
Lk
19,11-28. -
6 J.Escrivá,
Christus begegnen, 121. -
7 II.Vat.Konz., Konst.
Gaudium et spes, 45. -
8
Offb
22,12-13. -
9 J.Escrivá,
Christus begegnen, 179. -
10 vgl.
Gal
4,31. -
11
Katechismus der Katholischen Kirche, 356. -
12
Ambrosius,
Auslegung des 118. Psalms.
- 13
Augustinus,
Predigt, 51,2. -
14
II.Vat.Konz., Konst.
Lumen gentium, 36. -
15
J.Escrivá,
Im Feuer der Schmiede,
Nr.913.