FASTENZEIT
2. WOCHE - DONNERSTAG
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losgelöst
sein
Loslösung
als Weg zur Freiheit des Herzens. Irdische Güter sind nur Mittel zum Zweck.
Loslösung und Großzügigkeit. Merkmale der Loslösung.
Auch die übertriebene Sorge um uns selbst kann zu einer Fessel werden. Durch
Verzicht Raum schaffen für Gott.
I. In
dieser Fastenzeit ermahnt uns die Kirche immer wieder zum Verzicht, zur
Loslösung vom Irdischen, damit das Herz frei werden kann für Gott. Nur so kann
es aufblühen und reich werden an Früchten. Der Prophet Jeremia sagt es uns in
der ersten Lesung der heutigen Messe mit einem wunderbaren Bild aus der Natur:
Gesegnet
der Mann, der auf den Herrn sich verläßt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er
ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln
ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben
grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine
Früchte1
Anders
ist es mit jenem,
dessen
Herz sich abwendet vom Herrn
und es nicht fertig bringt, Abstand vom Irdischen zu nehmen, weil er seine
Hoffnung lieber auf die Dinge dieser Welt setzt:
Er ist
wie ein kahler Strauch in der Steppe, der nie einen Regen kommen sieht; er
bleibt auf dürrem Wüstenboden, im salzigen Land, wo niemand wohnt2
Natürlich
möchte der Herr, daß wir uns um irdische Dinge kümmern und sie gebührend lieben.
Er ist ja der Schöpfer der Erde, die wir nach seinem Auftrag hüten und uns
untertan machen sollen.
Aber eine sklavische Liebe zum Irdisch-Materiellen würde uns Fesseln anlegen für
unseren Aufstieg zu Gott:
Ihr könnt
nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon
Und wie sinnlos wäre dann unser Leben!
»Christus
ist der Weg, um zu Gott zu gelangen - aber der Christus am Kreuz. Und um das
Kreuz zu besteigen, muß das Herz frei sein, losgelöst vom Irdischen.«5 Unser
Herr selbst gibt uns das Beispiel eines Lebens in souveräner Freiheit: Er, der
reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen6,
sagt der Apostel Paulus.
Irdische
Reichtümer können einen Menschen in innere Armut stürzen. Wie den jungen Mann im
Evangelium, der Jesus nachfolgen möchte; doch er
ging
traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen.
Im Anschluß daran sagt der Herr:
Wie
schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen!
Die Jünger erschrecken. »Also rechnen sie sich auch zu den >Reichen<? Gewiß, und
Jesus stimmt zu. Jenes Reichsein, worüber hier das Urteil gesprochen wird,
bedeutet nicht das viele Geld gegenüber dem wenigen oder den großen Grundbesitz
gegenüber dem kleinen Acker, sondern jeden Besitz. Die Tatsache des Besitzens
überhaupt ist das Reichsein (...). Das Haben überhaupt, selber und für sich -
darauf kommt es hier an. Und nun sagt Jesus: Nur aus der Kraft Gottes, aus der
freimachenden Großmut schenkender Liebe Gottes heraus kann man alles weggeben,
aus einem >Reichen< ein >Armer< werden (...). In der rechten Weise aber, nach
Gerechtigkeit und Nächstenliebe zu besitzen, etwas zu haben, ohne im Sinn der
Schrift >reich< zu sein, kann man nur aus der gleichen Gotteskraft heraus, die
fähig macht, alles wegzugeben«9.
Die
materiellen Güter, die Gott dem Menschen schenkt, haben eine individuelle und
eine soziale Funktion. Wer sich aber an das, was er besitzt, klammert, verwaltet
die geschenkten Gaben nicht im gottgewollten Sinn, sondern setzt an ihre Stelle
gleichsam ein goldenes Kalb als Götzen.
Wer im
spirituellen Leben wachsen will, muß die Fäden zerreißen, die - und seien sie
noch so fein - uns ungebührlich an Dinge, Personen oder auch an uns selbst
fesseln. »Mir scheint es keinen Unterschied zum machen« sagt Johannes vom Kreuz,
»ob ein Vogel mit einer dünnen statt mit einer dicken Schnur festgebunden ist,
denn er wird mit der dünnen ebenso festgehalten wie mit der dicken, solange es
ihm nicht gelingt, sie zu zerreißen und davonzufliegen. Gewiß ist die dünne
Schnur leichter zu zerreißen; so leicht es aber auch sein mag, wenn es ihm nicht
gelingt, die Fesseln zu sprengen, wird er nicht aufsteigen können.«10
II. Im
Evangelium der heutigen Messe hören wir das Gleichnis von einem Mann, der sich
nicht als Verwalter eines Vermögens versteht, sondern als egoistischer, sinnlos
verschwenderischer Alleinbesitzer.
Es war
einmal ein reicher Mann, der sich in Purpur und feines Leinen kleidete und Tag
für Tag herrlich und in Freuden lebte. Vor der Tür des Reichen aber lag ein
armer Mann namens Lazarus, dessen Leib voller Geschwüre war. Er hätte gern
seinen Hunger mit dem gestillt, was vom Tisch des Reichen herunterfiel.11
Dieser
Mann des Gleichnisses hatte eine eigenwillige Art, das Leben zu verstehen: Er
»feierte« Er war ein Genießer, er hatte keine Augen für die Not vor seiner Tür.
Weder hatte er etwas gegen Gott noch gegen den armen Bettler. Er sah sie einfach
nicht. Diese Blindheit ist seine Sünde. Gregor der Große schreibt: »Nicht der
Reichtum war es, der den Prasser daran hinderte, ins Reich der Seligen
einzugehen: seine Selbstsucht vielmehr war es und seine Treulosigkeit«12.
Egoismus
und Gefühlsroheit sind ein Hindernis für die Wahrnehmung fremder Not. Dann
werden Menschen wie wertlose Sachen behandelt, je nach eigenem Nutzen hin- und
hergeschoben. Wie anders wird es, wenn wir uns unseres Reichtums bewußt werden!
Wievieles davon können wir dann verschenken und dadurch noch reicher werden:
Freundlichkeit, Verständnis, Herzlichkeit, Ermutigung, eine gut verrichtete
Arbeit, ein Almosen, das im rechten Moment den Bedürftigen erreicht, eine Spende
an eine wohltätige Einrichtung - und nicht zuletzt ein gutes Wort unter vier
Augen, das dazu anregt, über Gott nachzudenken und ernst zu machen mit seinen
Gnadenmitteln.
Durch den
rechten Gebrauch der Reichtümer, die Gott uns anvertraut hat - ob geistig oder
materiell, ob beträchtlich oder gering -, sammeln wir uns Schätze im Himmel.
Nur wenn wir reichlich geben, - überzeugt, daß wir es mit Brüdern und Schwestern
in Christus, mit Kindern Gottes zu tun haben -, werden wir hier auf Erden und
hernach im ewigen Leben glücklich sein. Die Nächstenliebe ist in allen ihren
Äußerungen immer ein Stück Verwirklichung des Reiches Gottes. Sagen wir es
anders: sie ist eine Art Vermögen, das wir, trotz aller Wechselfälle von Armut
und Reichtum in dieser Welt, nie verlieren.
Die
Loslösung muß aber wirksam werden, sie muß erkennbare Früchte tragen, die
freilich ohne Opfer nicht zu erlangen sind. Sie muß auch natürlich und
unaufdringlich sein, der Art von Christen entsprechend, die, eingebettet in die
irdischen Strukturen, selbstverständlich für ihre Arbeit und für ihre
apostolischen Aufgaben materielle Mittel benötigen. Alle irdischen Güter sind
nichts im Vergleich mit dem unermeßlichen Gut, das wir zu erwerben trachten.
III.
Unsere Loslösung erwächst aus der Liebe zu Gott und vermehrt sie
zugleich.
Denn in einer Seele voller Anhänglichkeiten bleibt für Gott nicht mehr als ein
Notsitz übrig. Die Fastenzeit eignet sich besonders gut für eine gründliche
Prüfung unserer Einstellung gegenüber dem materiellen Besitz. Gibt es zuviele
Dinge bei mir - Plunder -, deren Sinn und Nutzen ich nicht angeben kann? Ist
mein Konsumverhalten von der Laune des Augenblicks bestimmt? Setze ich mich ab
von der verbreiteten Neigung, Wohlstand zu demonstrieren? Bin ich großzügig beim
Almosengeben? Bin ich es auch bei der Unterstützung der Kirche und ihrer
apostolischen Werke? Verliere ich den inneren Frieden, wenn ich einmal etwas
entbehren muß, das ich für nötig halte?
Nicht nur materielle Güter sind
Gegenstand der Loslösung, die der Herr von uns erwartet. Auch das eigene Ich
kann uns fesseln: etwa die krankhafte Sorge um die eigene Gesundheit, die
übertriebene Gewichtung der Meinung anderer über uns oder die Überschätzung von
beruflichen Erfolgen.
»Ja, auch
jene guten Anliegen schließe ich hier ein (...), die aus dem Wunsch hervorgehen,
nur die Ehre Gottes zu suchen und ihn in allem zu preisen. Bei solchen Anliegen
soll unser Wille klar und bestimmt reagieren: Herr, ich möchte dies oder jenes,
aber nur, wenn es dir gefällt, wozu sonst nützte es mir? Wir versetzen so dem
Egoismus und der Eitelkeit, die sich in unser aller Herz einschleichen, den
Todesstoß und gewinnen auf diesem Weg den wahren Frieden der Seele; denn in dem
Maße, da sie sich loslöst, birgt sie sich immer inniger und stärker in Gottes
Armen.«14
Wer
Christ ist, muß Besitz so erwerben,
als würde
er nicht Eigentümer.
Gregor der Große sagt dazu: »Wer das Nötige zusammenträgt, um Nutzen daraus zu
ziehen, dabei aber klug voraussieht, daß er seinen Besitz bald wieder aufgeben
muß, besitzt so, als besäße er nicht. Wer das Lebensnotwendige sein eigen nennt
und vermeidet, daß sein Besitz die Herrschaft über sein Herz gewinnt, so daß all
dies der Reifung seiner Seele dient - die ja nach Höherem strebt - und dieser
niemals schadet, bedient sich dieser Welt so, als ziehe er keinen Nutzen aus ihr.«16
Die
Gesundheit ist ein wichtiges Gut. Die Sorge um sie könnte uns jedoch gleichsam
krank machen. Dazu schreibt die heilige Theresia von Avila: »Ich habe darüber
nachgedacht, wie wichtig es ist, unserer Zerbrechlichkeit nicht zu achten, wenn
wir dem Herrn zu dienen wünschen (...). Was taugte uns Leben und Unversehrtheit
des Leibes, vermöchten wir sie nicht einem so großen Herrn und König hinzugeben?
Glaubt mir, meine Schwestern, daß ihr, diesen Weg beschreitend, gewiß nie Not
leiden werdet.«17
Unser
Herz gehört Gott, denn für ihn wurde es geschaffen und nur in ihm mündet all
sein Sehnen nach Glück und Unendlichkeit. »Jesus genügt es nicht, daß man mit
ihm >teilt<: Er will alles.«18 Alles andere, was wir reinen und lauteren Herzens
lieben und was unser irdisches Leben ausmacht, muß sich an dieser großen Liebe,
Jesus Christus, ausrichten und sich von ihr nähren.
Die
heilige Maria, unsere Mutter, möge uns helfen, unser Herz frei von Fesseln zu
machen, damit allein ihr Sohn in ihm herrscht.
17,7-8. -
17,5-6. -
vgl.
1,28. -
6,24. -
J. Escrivá,
Der
Kreuzweg,
X. -
vgl.
8,9. -
vgl.
10,22. -
10,23. -
R. Guardini,
,
Würzburg 1951, S.334. -
Johannes vom Kreuz,
Lebendige
Liebesflamme,
11,4. -
16,19-21. -
Gregor der Große,
Homilien
über
das
Lukasevangelium,
40,2. -
vgl.
6,20. -
J. Escrivá,
Freunde
Gottes,
114. -
7,30. -
Gregor der Große,
Homilien
über die
Evangelien,
36. -
Theresia von Avila,
Buch der
Klosterstiftungen,
28,18. -
J. Escrivá,
,
Nr. 155.