OSTERZEIT
3. WOCHE - DONNERSTAG
19
DAS BROT
DES EWIGEN LEBENS
Geheimnisvolle Worte in der Synagoge von Kafarnaum.
Geheimnis des Glaubens. Die Transsubstantiation.
Wirkungen der Kommunion.
I.
Ich bin
das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind
gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand
davon
ißt, wird
er nicht sterben.
Das Evangelium der heutigen Messe versetzt uns in die Synagoge von Kafarnaum. Im
Licht der Worte des Herrn wird der alttestamentliche Manna-Regen zum Sinnbild
einer sich bald erfüllenden Wirklichkeit. Die Art und Weise ihrer Ankündigung
ist geheimnisvoll:
Ich bin
das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt,
wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich
gebe es hin für das Leben der Welt.2
Die
Zuhörer in der Synagoge von Kafarnaum faßten das Wort des Herrn so auf, wie er
es gemeint hatte: nicht symbolisch, wie als er sagte:
Ich bin
die Tür zu den Schafen,
sondern in seinem eigentlichen, realistischen Sinne. Daher die harsche Reaktion:
Was er
sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?
Fürwahr, nur der Glaube an die reale Gegenwart des Herrn in der Eucharistie kann
den Realismus der Worte, als Offenbarung der endlosen Weite einer Liebe, die
allmächtig ist und erfinderisch, verkraften.
»Es ist
der ungeheurlichste Text der Weltgeschichte, und >ungeheuerlich< will sagen:
nicht bloß alles Verstehen und Begreifen mittels menschlicher
Rezeptionsfähigkeiten unendlich übersteigend, sondern auch in einem kaum
steigerbaren Maß schockierend. Der Intellekt, die Empirie, der kulturelle
Überbau von Jahrtausenden, nicht zuletzt eine gleichsam angeborene Ästhetik,
werden durch die Worte Jesu außer Kraft gesetzt. Damals wie heute und morgen.
Die göttliche Selbstoffenbarung trifft auf die beschränkten Kategorien des
geschöpflichen Diesseitsdenkens und läßt sie im Feuer ihrer Liebe verglühen. Wer
dieses Verbrennen nicht will, sei es aus Furcht, sei es aus Stolz, der muß sich
spätestens jetzt, da Jesus als der Christus das tiefste Geheimnis des
Ratschlusses der Erlösung enthüllt, von ihm abwenden. Jeder Versuch, die
eucharistische Rede als Bild- und Gleichnisrede zu verstehen, ist zum Scheitern
verurteilt, ist Beweis des totalen Nichtverstehens.«5
Vielen
Zuhörern verschlug es das Verstehen, und sie gingen weg. Auch heute ergeht es
vielen so. Denn der Zugang zum Geheimnis, das Christus ankündigt, liegt in der
Anbetung: »Adoro te devote ... Gottheit tief verborgen, betend nah' ich dir.
Unter diesen Zeichen bist du wahrhaft hier.«6 Die Kirche hat diesen im
dreizehnten Jahrhundert von Thomas von Aquin geschriebenen Hymnus in ihre
Liturgie aufgenommen. In ihm sind die wesentlichen Aussagen des katholischen
Glaubens über die Eucharistie zusammengefaßt: nicht mit dem Ehrgeiz, verstehen
zu wollen, sondern in Anbetung, mit Glauben und frommem Sinn, in tiefer
Schlichtheit.
Damals
zogen sich viele
Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher. Da fragte Jesus die Zwölf:
Wollt auch ihr weggehen?7
Es ist auch eine Frage an uns, Christi Jünger zweitausend Jahre danach. Mit der
Liturgie können wir darauf nur antworten: »Sieh, mit ganzem Herzen schenk' ich
dir mich hin, weil vor solchem Wunder ich nur Armut bin.« Im Credo des
Gottesvolkes heißt es präzis: »Wir glauben, daß in der Weise, wie Brot und Wein
vom Herrn beim heiligen Abendmahl konsekriert und in seinen Leib und in sein
Blut verwandelt worden sind, die er für uns am Kreuze geopfert hat, auch Brot
und Wein, wenn sie vom Priester konsekriert werden, in den Leib und das Blut
Christi verwandelt werden, der glorreich in den Himmel aufgefahren ist; und wir
glauben, daß die geheimnisvolle Gegenwart des Herrn unter dem, was für unsere
Sinne in derselben Weise wie vorher fortzubestehen scheint, eine wahre,
wirkliche und wesentliche Gegenwart ist.«8
II.
Das Brot,
das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt
Dies ist die heilige Eucharistie, in welcher »nach der Weihe (Konsekration) von
Brot und Wein unser Herr Jesus Christus als wahrer Gott und Mensch wahrhaft,
wirklich und wesentlich unter der Gestalt jener sichtbaren Dinge gegenwärtig
ist«10. »Durch die Weihe von Brot und Wein vollzieht sich die Wandlung der
ganzen Brotsubstanz in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der
ganzen Weinsubstanz in die Substanz seines Blutes.«11 Mit der Lehre der
Wesensverwandlung (Transsubstantiation) will uns die Kirche keine »= 11 Mit der
Lehre der Wesensverwandlung (Transsubstantiation) will uns die Kirche keine
Erklärung« liefern: »Wichtig ist nur, daß das Gerüst des Denkens steht, das uns
dann hilft, den eigentlichen von ihm gestützten Kern des Glaubens angstlos und
heiter zu leben.(...) Die Substanz wird verwandelt, das heißt, der eigentliche
Grund des Seins. Um ihn geht es, nicht um das Vordergründige, zu dem all das
Meßbare und Greifbare gehört. (...) In der Eucharistie trägt sich wirklich etwas
zu. Es wird Neues, was vorher nicht war.«12 Das Denken stößt an seine Grenzen.
Es ist das Mysterium fidei - Geheimnis des Glaubens: »= 12 Das Denken
stößt an seine Grenzen. Es ist das Mysterium fidei - Geheimnis des Glaubens: Der
Herr bemächtigt sich des Brotes und des Weines, er hebt sie gleichsam aus den
Angeln ihres gewöhnlichen Seins in eine neue Ordnung hinein; auch wenn sie rein
physikalisch gleichbleiben, sind sie zutiefst Anderes geworden.«13 Adoro te
devote, latens deitas ... Der Herr selbst ist da, verborgen im Tabernakel: Nicht
immer können wir bei ihm verweilen, aber schon ein ferner Kirchturm oder das
Vorübergehen an einer Kirche können uns einen inneren Akt der Anbetung oder des
Glaubens entlocken.
Anbetung,
Glaube, Hoffnung, Liebe - sollten sie nicht besonders im Augenblick der
Kommunion lebendig sein? »Was Gott Sohn gesprochen, nehm' ich glaubend an; er
ist selbst die Wahrheit, die nicht trügen kann.« Diese Wahrheit ist, daß wir
Jesus Christus empfangen, den »Sohn des lebendigen Gottes, der dem Willen des
Vaters gehorsam (...) der Welt das Leben geschenkt«14 hat; das lebendige Brot,
das uns »nicht Gericht und Verdammnis, sondern Segen und Heil«15 bringen soll.
Aber »die Eucharistie ist mehr als der bloße Akt des In-uns-Aufnehmens: sie
bedeutet, den Hunger Christi zu stillen; denn ihn hungert nach Seelen. Die
Eucharistie muß im Zentrum unseres Lebens stehen. Bitte Jesus, bei dir zu sein,
mit dir zu arbeiten, damit es dir gelingt, die Arbeit in Gebet zu verwandeln. Du
sollst immer tiefer davon überzeugt sein, daß du in der Eucharistie Jesus selbst
empfängst. Wenn es sich so verhält, kannst du Zunge, Herz und Gedanken nicht der
Bitterkeit überlassen.«16 Prüfen und festigen wir Glaube, Hoffnung und Liebe,
damit wir wie Petrus bekennen können: Wir sind zum Glauben gekommen und haben
erkannt: Du bist der Heilige Gottes.17
III. Die
Hauptwirkung der Kommunion ist die Vertiefung der Gemeinschaft mit Christus. Der
sakramentale Empfang begründet eine intensivere Gemeinschaft als die physische
Nähe all jener zu Christus, die zur Zeit seines irdischen Wandels von ihm
geheilt wurden, mit ihm sprachen, ihn um Hilfe baten. Wir sind dem Herrn näher
als der blinde Bartimäus, als der Gelähmte von Kafarnaum, als der römische
Hauptmann, dessen Worte wir uns zu eigen machen: »Herr, ich bin nicht würdig,
daß du eingehst unter mein Dach ...«
Die
Eucharistie trägt das übernatürliche Leben auf eine ähnliche Art und Weise, wie
die leibliche Nahrung das natürliche Leben erhält. Der heilige Thomas erläutert
es so: »Jede Wirkung also, die das leibhaftige Essen und Trinken für das Leben
des Leibes hat, Erhaltung, Vermehrung, Wiederherstellung und Erfreuung, all dies
bewirkt dieses Sakrament für das geistige Leben.«18
Wir
erstarken in der Gnade und gesunden von den Verwundungen unserer Sünden. Die
Kommunion »mindert die Neigung zum Bösen und stärkt die Widerstandskraft gegen
die Sünde; sie mehrt die Freude an Gott, den Eifer und die Treue für Christus.
Sie vernichtet, indem sie die Liebe und Liebesreue entzündet, die läßlichen
Sünden und bewahrt vor Todsünden. Sie drängt alles, was den Menschen von Gott
trennt, zurück.«19 Das göttliche Leben nimmt mehr und mehr Besitz von der Seele
und drängt die Lauheit zurück. Der Wille erstarkt in dem Wunsch, die schwere wie
die läßliche Sünde zu meiden: »Lege deine Sünden in den Kelch, damit das
kostbare Blut sie tilge. Ein einziger Tropfen vermag alle Sünden der Welt
hinwegzunehmen.«20
Der
heilige Ignatius von Antiochien nennt die Kommunion »die Medizin, die einen
nicht sterben läßt, sondern fort und fort leben macht in Jesus Christus«21. Die
Kirchenväter sehen in der Bereitung des Brotes aus vielen Körnern und des Weines
aus vielen Beeren ein Sinnbild der Vereinigung aller Gläubigen zum einen Leib
Christi.
Ich bin
das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich
glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Keine Frömmigkeitsübung, keine Tat der Nächstenliebe ist so wirkmächtig wie der
würdige Empfang der Kommunion. Denn beim Beten bitten wir um die Gnade, und bei
unseren guten Taten sehen wir Christus im Bedürftigen, aber in der Kommunion
empfangen wir die Quelle aller Gnaden und den Grund und Ursprung aller
Brüderlichkeit.
Der
Christus, den wir jetzt unter den heiligen Gestalten verborgen anbeten, erzählte
einst seinen Zuhörern das Gleichnis von einem Mann, der ein großes Festmahl
veranstaltete und den Gästen, die er eingeladen hatte, sagen ließ:
Kommt, es
steht alles bereit!
Einer nach dem anderen ließ sich entschuldigen, heißt es dann. Auch heute lassen
sich viele entschuldigen, wollen viele nichts von Christus wissen. Unser
Bekenntnis soll Anbeten, Sühnen und Bitten sein. Ich glaube: nichts ist wahrer
als dein Wort. Vermehre in mir Glaube, Hoffnung, Liebe. Laß es mich weitersagen,
daß du -
verborgene Gottheit
- hier gegenwärtig bist.
6,48-50. -
6,51. -
10,7. -
6,60. -
P.Berglar,
Petrus -
Vom Fischer zum Stellvertreter,
München 1991, S.105. -
Hymnus
Adoro te
devote.
-
6,66-67. -
Paul VI,
Credo des
Gottesvolkes,
24. -
6,51. -
Konzil von Trient, DS 1636; NR 568. -
ebd., DS 1642; NR 572. -
J.Kard.Ratzinger,
Eucharistie - Mitte der Kirche,
München 1978, S.58-59. -
ebd. -
Gebet vor
der Kommunion.
-
ebd. -
Mutter Teresa,
Beschaulich inmitten der Welt,
Einsiedeln 1990, S.21. -
6,69. -
Thomas von Aquin,
Summa
Theologica,
III,79,1. -
M.Schmaus,
Katholische Dogmatik
IV/1, München 1952, S.378. -
Mutter Teresa, a.a.O., S.21. -
Ignatius von Antiochien,
Brief an
die Epheser,
20. -
6,35. -
vgl.
14,16-24.