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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

ADVENT
20. DEZEMBER

25

DIE BERUFUNG DER GOTTESMUTTER. UNSERE BERUFUNG

Die Jungfrau Maria: von Ewigkeit her erwählt.

Unserer Berufung entsprechen.

Maria nacheifern in der Hingabe an den Nächsten.

 

I. Wir sind Weihnachten schon ganz nah, und es wird sich nun erfüllen, was Jesaja prophezeite: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel - Gott mit uns - geben.1

Die Juden wußten sehr gut um die Prophezeiung, der zufolge aus dem Zweige Jakobs über David der Messias hervorgehen sollte. Ein so großes Wunder jedoch konnten sie sich nicht vorstellen: den Messias als menschgewordenen Gott.

Als aber die Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau2 Und diese Frau, von Ewigkeit her zur Mutter des Erlösers bestimmt, hatte, nach christlicher Tradition, Gott ihre Jungfräulichkeit geweiht und so auf die Ehre, daß einer ihrer Nachkommen hätte der Messias sein können, verzichtet. Der Herr hat mich geschaffen, heißt es im Buch der Sprichwörter in Ankündigung Marias, im Anfang seiner Wege, vor seinen Werken in der Urzeit.3

Wir können in diesen Tagen vieles im Umgang mit der Mutter Gottes lernen. Auf sie treffen die Worte im Alten Testament zu: Wie ein Weinstock trieb ich schöne Ranken, meine Blüten wurden zu prächtiger und reicher Frucht. Kommt zu mir, die ihr mich begehrt, sättigt euch an meinen Früchten! An mich zu denken ist süßer als Honig, mich zu besitzen ist besser als Wabenhonig.4

Maria erscheint als jungfräuliche Mutter des Messias, die all ihre Liebe mit ganzem Herzen Jesus zuwenden wird. Sie wird zum Vorbild einer Hingabe, die Gott nach ihr von vielen verlangen wird.

Als die Zeit gekommen war, sandte Gott den Engel Gabriel nach Nazaret, wo Maria lebte. Fromme, volkstümliche Darstellungen zeigen Maria andächtig im Gebet, aufmerksam lauschend, was der Herr für sie bestimmt hat: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir5, sagt der Engel zu ihr, wie wir im Evangelium der heutigen Messe lesen.

Und Maria willigt ein in den göttlichen Plan: mir geschehe, wie du es gesagt hast6. In diesem Augenblick nimmt sie ihre Berufung an; und diese Berufung besteht darin, Mutter Gottes und zugleich Mutter der Menschen zu sein.

Ohne daß sie es gemerkt hätte, ist die kleine Stadt Nazaret für einen Augenblick zum Mittelpunkt der Menschheit geworden. Dort lebt die Frau, die Gott von allen am meisten liebt, die Frau, die auch von der ganzen Welt am meisten geliebt und angerufen wird. Aus tiefem Herzen wollen wir ihr nun im persönlichen Gebet sagen: Mutter, gesegnet bist du unter allen Frauen!

Durch ihre Mutterschaft wurde sie mit allen Gnaden ausgestattet, um dem Allerhöchsten eine würdige Wohnstatt zu sein. Gott erwählte seine Mutter und wollte sie sündenlos: frei von der Erbsünde und von jeder persönlichen Sünde. Sie wurde makellos und unbefleckt empfangen. Er gewährte ihr so reiche Gnaden, daß man mit Recht sagen kann: »nur Gott ist größer als sie«7.

Alle diese Vorzüge und Gnaden wurden ihr gegeben, damit sie ihrer Berufung gerecht werden konnte. Wie bei jedem Menschen wurde die Berufung zum entscheidenden Augenblick ihres Lebens. Sie war geboren, um, von der Heiligsten Dreifaltigkeit von Ewigkeit her erwählt, Mutter Gottes zu sein.

Maria ist auch unsere Mutter, und in diesen Tagen sollten wir uns dies immer wieder in Erinnerung rufen. Mit einem altüberkommenen Gebet, das wir uns zu eigen machen wollen, können wir ihr sagen: Erinnere dich, Jungfrau und Mutter Gottes, beim Herrn Fürsprache für mich einzulegen.

 

II. Auch für jeden von uns ist die Berufung Mittelpunkt unseres Lebens, der Fluchtpunkt, auf den hin alles andere ausgerichtet ist. So viel hängt davon ab zu erkennen, was Gott von uns erwartet, und es dann zu tun.

In Liebe seiner Berufung zu folgen ist das wichtigste und schönste in unserem Leben. Obgleich die Berufung der Schlüssel zum wahren Glück ist, gehen ihr manche aus dem Weg; sie wollen ihrem eigenen Willen folgen statt dem Gottes, ziehen es vor, in schuldhafter Unwissenheit zu bleiben, statt ernsthaft den Weg des Glücks zu suchen, auf dem sie sicher zum Himmel gelangen und vielen anderen zur Glückseligkeit verhelfen können.

Der Herr beruft immer wieder Menschen auf einen besonderen Weg der Heiligkeit. Das bedeutet, ihm in ein neues Leben zu folgen, dessen Geheimnis nur er kennt: wer mein Jünger sein will ...8 Wir alle sind mit der Taufe aufgerufen, Gott mit ganzer Liebe zu suchen. »Denn das alltägliche, gewöhnliche Leben unter unseren Mitmenschen ist nicht farblos und flach. Gerade hier ist der Ort, wo sich nach dem Willen des Herrn die meisten seiner Kinder zu heiligen haben.

Man muß immer wieder betonen, daß sich Jesus nicht an einige Privilegierte wandte; er kam vielmehr, um die alles umfassende Liebe Gottes zu offenbaren. Alle Menschen werden von Gott geliebt, von allen erwartet er Liebe. Von allen - gleich welche persönlichen Eigenschaften, welche soziale Stellung, welchen Beruf und welches Amt der einzelne hat. Das gewöhnliche, alltägliche Leben ist keine geringwertige Sache: Alle Wege der Erde können Anlaß zu einer Begegnung mit Christus sein, der uns aufruft, eins zu werden mit ihm, damit wir dort, wo wir sind, seinen göttlichen Auftrag erfüllen.

Gott ruft uns durch alles, was im Alltag geschieht, durch die Freude und das Leid unserer Mitmenschen, durch die irdischen Sorgen unserer Freunde und Bekannten, durch die vielen kleinen Dinge des Familienlebens. Und Gott ruft uns auch durch die großen Probleme, Konflikte und Aufgaben, die geschichtliche Epochen prägen und das Hoffen und Mühen eines Großteils der Menschheit in ihren Bann ziehen.«9

Der Ruf des Herrn zu größerer Hingabe ist dringlich, denn die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter10. Und viel von der Ernte geht täglich verloren, weil sie niemand einholt.

, willigt Maria voll Freude ein. Wir aber sollten uns im Gebet fragen: Suche ich Gott bei meiner Arbeit, im Studium, in der Familie, auf der Straße ... in allem? Gehe ich auf andere Menschen zu? Erwartet der Herr nicht doch mehr von mir?

 

III. Dem Willen Gottes gegenüber gibt es für Maria nur eine einzige Antwort: ihn in Liebe erfüllen. Dadurch, daß sie sich zur Magd Gottes erklärt, unterwirft sie sich vorbehaltlos allen seinen Absichten. Mariens Erklärung gewinnt ihre volle Bedeutung und Tragweite erst, wenn man sich bewußt macht, daß im Altertum das Verhältnis zwischen Herrn und Diener außerordentlich streng war. Der Knecht hatte sozusagen keinen eigenen Willen und nach nichts anderem zu trachten als dem Willen seines Herrn. Mit Freude willigt Maria darin ein, nichts anderes zu wollen, als ihr Herr und Gott will. Ihm überantwortet sie sich.

Sie nacheifernd, wollen wir keinen anderen Willen und keine anderen Pläne haben als die Gottes: in unserer Berufung ebenso wie in den kleinen Dingen des Alltags, bei der Arbeit, in der Familie, in unserem Umgang mit anderen Menschen.

Eines der Mysterien des Advents betrachten wir im zweiten Geheimnis des freudenreichen Rosenkranzes: den Besuch Marias bei Elisabet. Wir wollen uns kurz einem ganz bestimmten Aspekt des Dienstes am Nächsten zuwenden, der mit der Berufung einhergeht: der Rangordnung in der Nächstenliebe.

Dieser Aufenthalt unserer Mutter bei ihrer Verwandten Elisabet ist ganz Ausdruck einer solchen Ordnung. Liebe für alle, denn alle sind Kinder Gottes oder können es doch sein, alle sind unsere Brüder. Liebe aber doch in erster Linie für die, die uns durch ein besonderes Band nahestehen: und das ist unsere Familie - Liebe nicht als ein vages Empfinden, sondern als konkrete Taten. Wir wollen darüber nachdenken, was uns unsere Familie tatsächlich bedeutet. Sind wir gewillt und entschlossen, keine Mühe zu scheuen, wenn es um ihr Wohl geht?

Wir wollen in diesen Tagen des Advents ebenso bereit sein zu dienen, wie es unsere Mutter war. Wir wollen Maria als gute Kinder bitten, sie möge uns helfen, daß der Herr bei seiner Ankunft unsere Herzen bereit und gegenüber seinen Anweisungen, Ratschlägen und Anregungen offen findet.

»Flehen wir heute zu Maria, sie möge uns beschaulich machen, sie möge uns lehren, den beständigen Ruf des Herrn vor der Tür unseres Herzens zu verstehen. Bitten wir sie: Du, unsere Mutter, du hast Jesus in die Welt gebracht, der uns die Liebe Gottes, unseres Vaters, offenbart; hilf uns, ihn zu erkennen mitten in den Dingen und Aufgaben des Alltags; rüttle unseren Verstand und unseren Willen auf, damit wir die Stimme Gottes hören und dem Antrieb der Gnade folgen können.«12

 

 1. Lesung der Messe vom Tage, Jes 7,14. - 2 Gal 4,4. - 3 Spr 8,23-31. - 4 Sir 24,17-20. - 5 Lk 1,28-33. - 6 Lk 1,38. - 7 Pius IX., Bulle Ineffabilis Deus, 8.12.1954. - 8 Mt 16,24. - 9 J. Escrivá, Christus begegnen, 110. - 10 vgl. Mt 9,37. - 11 Lk 1,38. - 12 J. Escrivá, Christus begegnen, 174.

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