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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

Jahreskreis
23. Woche - Samstag

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Früchte vom Baum des Lebens

Der wahre Jünger Jesu.
Der Baum und die Früchte.
Vermittler der Früchte der Erlösung.

I. Bevor wir im heutigen Evangelium den Abschluß der Bergpredigt betrachten, wollen wir noch einmal auf die Evangelientexte der vergangenen Tage blicken. Am Anfang stand eine im Gebet verbrachte Nacht Jesu. Ihr folgte die Berufung der Zwölf. Sie »waren ausgewählt worden, um einmal die maßgebenden Führer zu sein, aber zur Stunde waren sie es noch nicht. Ihnen sollte jedoch zuerst die Lehre vom Reiche Gottes nahegebracht werden.«1 In den Seligpreisungen zeichnet Jesus eine Art Portrait des wahren Jüngers. Wer sich ganz auf Jesus einläßt, bereit, ihm sein Leben zu überlassen, soll wissen, daß der Herr ihn allmählich befähigen wird, nicht mehr zu hassen, sondern zu lieben, nicht zu verfluchen, sondern zu segnen, nicht zurückzuschlagen, sondern für den Feind zu beten. So soll die Haltung der Söhne des Höchsten sein, denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Zu allen Zeiten ist der Jünger Christi für die rätselhaft gewesen, die sich als Kinder dieser Welt brüsten: er bleibt unverständlich für sie, wiewohl doch - auf eine unerklärliche Weise - anziehend. Wir haben im Laufe dieser Meditationen immer wieder das Selbstverständnis der ersten Christen betrachtet. Das zeitgenössische Urteil: »Was im Leibe die Seele ist, das sind in der Welt die Christen«2, zeugt nicht von eingeschüchterter Angstlichkeit.

Die Seligpreisungen sind für einen Christen in der Welt weit mehr als nur eine Art Programm. Sie sind auch nicht »ein umfassender Sittenspiegel, eine Art neutestamentlicher Dekalog, sondern Darstellung des einen christlichen Paradoxes in verschiedenen Weisen der Verwirklichung gemäß der Verschiedenheit menschlicher Lebensschicksale; sie werden sich im allgemeinen nicht alle zusammen gleichermaßen vereint in einer Person antreffen lassen. Andererseits gehen von dieser allgemeinen Form wieder neue Konkretisierungen aus.«3

Wenn wir andere durch unser Zeugnis erreichen wollen, müssen wir uns von Christus ergreifen lassen. »Die innere Form alles Christlichen ist Jesus selbst. Wer so zu einem Menschen sprechen will, daß es dorthin gelangt, wo die eigentlichen Entscheidungen fallen, muß durch Christus kommen. Er muß sein Denken läutern lassen, indem er es in die Gedanken Christi einfügt. Er muß sein Reden wahr machen lassen, indem er es in sein Reden hineingibt. Dann denkt und redet er richtig, und der Gedanke kommt an die Stelle, wohin er soll. Er muß seine Absicht durch die Gesinnung Christi ausrichten, seinen Willen von Christi Liebe durchwirken lassen.«4

Was wir vor allem brauchen, ist eine innere Kraft, »Vorläufer zu sein, wenn es gilt, Überzeugungen zu wecken und Lebensformen einzuführen, die entschieden mit einer aufreibenden und freudlosen Konsumhektik brechen«5. Vom Dichter Paul Claudel ist das Wort überliefert: »Rede nie, wenn du nicht gefragt bist, aber lebe so, daß man dich fragt.«

Wie ein Fanal haben die Worte Josemaría Escrivás gewirkt, mit denen er sein Buch »Der Weg« eröffnete und die Herzen junger Menschen aufrüttelte: »Dein Leben darf kein fruchtloses Leben sein. - Sei nützlich. - Hinterlasse eine Spur. - Leuchte mit dem Licht deines Glaubens und deiner Liebe.

Tilge durch dein Leben als Apostel den zähen Unrat, den die verseuchten Prediger des Hasses verbreitet haben. - Entzünde alle Wege der Erde mit dem Feuer Christi, das du im Herzen trägst.«6

Eine solch unverhohlene Art der Nachfolge stößt gewiß auch auf Unverständnis. Ein verkopfter Glaube und ein träges Herz mögen sich besonders schwertun mit den Seligpreisungen, die gläubige Schlichtheit und eine freudige Hingabe verlangen. »Ein Christentum, das nicht mehr brennt, würde auch nicht mehr leuchten, nicht mehr Licht der Welt sein, es wäre nur noch fades, schal gewordenes Salz, nur wert, zertreten zu werden.«7

II. Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte hervorbringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte hervorbringt. Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten... Der Herr spricht sehr schlicht. Jeder kann es verstehen.

Mit dem Bild vom Baum assoziieren wir das Dunkle unter- und das Helle oberhalb: Wurzel und Krone, Erdreich und Licht. Uralte Menschheitsahnungen erfüllen sich im Baum des Kreuzes. Die Kirchenväter sprechen vom Lebensbaum, die Kunst stellt das aufblühende Kreuz dar, dessen Trauben und Ranken das Wort deuten: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.8 »Das Holz des Weinstocks ist um so verächtlicher, wenn es nicht im Weinstock bleibt, um so herrlicher, wenn es dort bleibt (...). Abgeschnitten nutzt es zu nichts mehr, weder dem Bauern noch dem Zimmermann. Eines von beiden kommt der Rebe zu, entweder der Weinstock oder das Feuer; wenn sie nicht im Weinstock ist, wird sie im Feuer sein; damit sie also nicht im Feuer sei, möge sie im Weinstock sein.«9

Dies also ist der Weg, um gute Früchte zu bringen. Jeder erhält als Zweig vom wilden Ölbaum in den edlen Ölbaum eingepfropft Anteil an der Kraft seiner Wurzel (...). Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.10 »In ihm, dem Gottmenschen, steigt aus der Wurzel Gottes die neue Lebendigkeit auf, an welcher teilhaben sollen, die an ihn glauben (Joh 11,26). Jenes Leben, was im eigentlichen Sinne >aus uns< kommt, ist ja zum Tode, von Gott abgerissen, auf das Nichts zustürzend. Jenes hingegen, das aus Gottes Ewigkeit kommt und in seine Ewigkeit steigt, ist das Leben Christi. An ihm wird uns durch das Wort und durch das Brot Anteil gegeben.«11

Wir rühmen uns des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus. In ihm ist uns Heil geworden und Auferstehung und Leben. Durch ihn sind wir erlöst und befreit. In mystischer Deutung sagt Johannes Tauler, das Kreuz des Herrn - und das Kreuz im Leben eines jeden Christen - setze sich aus »vier Teilen zusammen: ein Teil oben, einer unten, zwei nach beiden Seiten. Der obere Teil bedeutet die wahre Liebe zu Gott, der linke Balken tiefe Demut. (...) Der rechte Kreuzesarm wahre Lauterkeit (...), der Fußteil, an den die Füße geheftet sind, versinnbildet wahren, vollkommenen Gehorsam. Er bedeutet wahre, willige Gelassenheit gegenüber allem, womit du verbunden bist nach eigenem Willen. Die Teile des Kreuzes werden in der Mitte zusammengefaßt durch das fiat voluntas tua.«13

Fiat voluntas tua, dein Wille geschehe... »Welch große Fortschritte würden wir doch binnen kurzer Zeit in der Heiligkeit machen, wenn wir die himmlischen Eingebungen voll und ganz aufnähmen! Doch eine Quelle mag noch so stark sein, ihre Wasser fließen nur in dem Maße in einen Garten, als die Wasserleitung sie fassen kann. Und obwohl der Heilige Geist, der seine Gnade gleich einem Quell lebendigen Wassers in unsere Seele ergießen möchte, uns von allen Seiten umgibt, so teilt er uns seine Gaben doch nur soweit mit, als wir dafür empfänglich sind und sie freiwillig annehmen. Darum mahnt uns der heilige Paulus, wir sollten die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen (2 Kor 6,1). In dem Maße, in dem unser Herz sich weitet und sich der göttlichen Barmherzigkeit wie ein leeres Gefäß darbietet, werden uns ohne Unterlaß Eingebungen zuteil, durch die wir in der Liebe wachsen.«14

III. Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Bergpredigt und die Seligpreisungen. Sie »reden von inneren Haltungen und existentiellen Grundeinstellungen und decken sich daher nicht genau mit den Geboten. Andererseits besteht keine Trennung oder Diskrepanz zwischen den Seligpreisungen und den Geboten: beide beziehen sich auf das Gute, auf das ewige Leben. Die Bergpredigt beginnt mit der Verkündigung der Seligpreisungen, enthält aber auch den Bezug auf die Gebote (vgl. Mt 5,20-48). Gleichzeitig zeigt die Bergpredigt die Öffnung und Ausrichtung der Gebote auf die Perspektive der Vollkommenheit, die zu den Seligpreisungen gehört. Diese sind zunächst Verheißungen, aus denen indirekt auch normative Anweisungen für das sittliche Leben hervorgehen. In ihrer ursprünglichen Tiefe sind sie so etwas wie ein Selbstbildnis Christi und eben deshalb Einladungen zu seiner Nachfolge und zur Lebensgemeinschaft mit ihm.«15 Aus ihnen erwächst die Kraft, der zeitlichen Ordnung die Lebenskraft des Glaubens einzuflößen, da der Glaube nichts wahrhaft Menschliches zerstört, sondern es läutert, stärkt und erhöht. Dies zeigt uns besonders deutlich die Nächstenliebe: Sie »entspringt einem Herzen, das liebt und das eben deshalb, weil es liebt, bereit ist, die höchsten Forderungen zu leben. Jesus zeigt, daß die Gebote nicht als eine nicht zu überschreitende Minimalgrenze verstanden werden dürfen, sondern vielmehr als eine Straße, die offen ist für einen sittlichen und geistlichen Weg der Vollkommenheit, deren Seele die Liebe ist (vgl. Kol 3,14).«16 Diese verinnerlichte, radikale Liebe drängt dazu, auch für die Feinde zu beten - für jene, die Böses im Herzen tragen.

= 16 Diese verinnerlichte, radikale Liebe drängt dazu, auch für die Feinde zu beten - für jene, die Böses im Herzen tragen.Jeden Baum erkennt man an seinen Früchten. Die Geschichte der Menschheit ist vom Kampf zwischen Gut und Böse geprägt. »Der einzelne Mensch muß, in diesen Streit hineingezogen, beständig kämpfen um seine Entscheidung für das Gute.«17 Wohl wird er »unterscheiden zwischen dem Irrtum, der immer zu verwerfen ist, und dem Irrenden, der seine Würde als Person stets behält«18 aber Liebe und Milde dürfen ihn keineswegs »gegenüber der Wahrheit und dem Guten gleichgültig machen«19. Entgegen einem immer weiter um sich greifenden sittlichen Relativismus lehrt die Kirche, daß es Einstellungen, Handlungen, Verhaltensweisen gibt, »die durch sich selbst und in sich, unabhängig von den Umständen, wegen ihres Objekts immer schwerwiegend unerlaubt sind« 20. Wir dürfen nur jene Früchte weitergeben, die vom Lebensbaum stammen.

In Maria zeigen sich unübertrefflich die guten Früchte der Erlösung. Sie war »mit dieser höchsten Aufgabe und Würde beschenkt, die Mutter des Sohnes Gottes und daher die bevorzugt geliebte Tochter des Vaters und das Heiligtum des Heiligen Geistes zu sein. Durch dieses hervorragende Gnadengeschenk hat sie bei weitem den Vorrang vor allen irdischen und himmlischen Kreaturen.«21 Sie war vom ersten Augenblick an ganz verfügbar für das Wirken der Gnade in ihr. »Als Antwort auf diese innere Verfügbarkeit seiner Mutter bereitete Jesus Christus sie immer tiefer vor, den Menschen >Mutter in der Ordnung der Gnade< zu werden.«22 Sie hat ihr ganzes Leben lang in einzigartiger Weise am Werk ihres Sohnes mitgewirkt, von der Verkündigung bis zum Stehen unter dem Kreuz. Deshalb nennt sie die Kirche Mittlerin mit einer Mittlerschaft,.die »Mittlerschaft in Christus«23 ist. jedesmal, wenn wir das Avernaria beten, werden wir an die guten Früchte erinnert, die wir bringen sollen, indem wir uns die Lobpreisung Ellsabets zu eigen machen: Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus.

M.-J. Lagrange, Das Evangelium von Jesus Christus, Heidelberg 1949, S.154. - Brief an Diognet, 6. - J. Ratzinger, Auf Christus schauen, Freiburg 1989, S.61. - R. Guardini, , Würzburg 1951, S.183. - Johannes Paul II., Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission »Justitia et Pax« 11.11.1978. - 6 J. Escrivá, Der Weg, Nr.1. - 7 J. Ratzinger, Christlicher Glaube und Europa, München 1981, S.84. - 8 Joh 15,5. - 9 Augustinus, Vorträge über das Johannesevangelium, 81,3.23. - 10 vgl. Röm 11,17-18. - 11 R. Guardini, a.a.O., S.441. - 12 G»ündonnerstag, Eröffnungsvers. - Johannes Tauler, Predigt auf Kreuzerhöhung, 60. - Franz von Sales, Über die Gottesliebe, Einsiedeln 1985, S.68-69. - Johannes Paul II., Enz. Veritatis splendor, 16. - ebd., 15. - II. Vat. Konz., Konst. Gaudium et spes, 37. - ebd., 28. - ebd. - Johannes Paul II., a.a.O., 80. - II. Vat. Konz., Konst. Lumen gentium, 53. - Johannes Paul II., Enz. Redemptoris Mater, 39. - ebd., 38.

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