JAHRESKREIS
12. WOCHE - MITTWOCH
51
gute
früchte
Gottes
Verheißungen an Abraham.
Echte und Scheinfrüchte.
Zeugnis in einer verweltlichten Atmosphäre.
I. Die
Texte aus dem Wortgottesdienst der heutigen Messe lassen sich von der
Schlußbitte im Tagesgebet her erschließen: Hilf uns, einander Gutes zu tun,
damit wir nicht vergeblich leben, sondern Frucht bringen in Jesus Christus.
Fruchtbar sein ...
Wie wir
in der heutigen Lesung1 hören, erhält Abraham in einer Vision die göttliche
Verheißung großer Fruchtbarkeit: Dein Lohn wird sehr groß sein. Der Patriarch
mag zunächst - der alttestamentlichen Denkweise entsprechend - an irdische Güter
gedacht haben; und so antwortet er mit einem Hinweis auf seine große Not, die
auch den reichsten Lohn wertlos erscheinen läßt: Du hast mir ja keine Nachkommen
gegeben; also wird mich mein Haussklave beerben. Aber Jahwe führte ihn hinaus.
Wir stellen uns Abraham vor, wie er vor dem Eingang seines Zeltes den mit
Sternen übersäten Himmel bestaunt: Zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst
(...). So zahlreich werden deine Nachkommen sein.
Dann
brachte Abraham ein Brandopfer dar. Es läßt erschaudern, wie der Patriarch aus
dem Dunkel kommende Raubvögel verscheucht, dann in einen tiefen Schlaf fällt,
während das Abendrot sich über die Erde senkt und auf einmal ein rauchender Ofen
und eine lodernde Fackel da sind, die zwischen den Opfergaben hindurchfahren.
Dieses Opfer besiegelt die Verheißung.
Aus
Abraham wächst »jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden
sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist«2. Und in ihm wurzelt
das neue Gottesvolk der Kirche, das »für das ganze Menschengeschlecht die
unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils« ist und »als
Licht der Welt und Salz der Erde (vgl. Mt 5,13-16) in alle Welt gesandt«3 wird.
Die
Kirche erkennt in der Verheißung an Abraham den Anfang ihrer Fruchtbarkeit, »die
entfernte Vorbereitung der Sammlung des Gottesvolkes. (...) Die unmittelbare
Vorbereitung beginnt mit der Erwählung Israels zum Gottesvolk. Israel wird
erwählt, um das Zeichen der künftigen Sammlung aller Nationen zu sein.«4 Die
Kirche greift in der heiligen Messe das Opfer unseres Vaters Abraham5 auf und
bittet Gott, er möge versöhnt und gütig auf die reine, heilige, makellose
Opfergabe6 schauen, die sie darbringt. Auch die Kirche weiß - wie Abraham -, daß
die ihr verheißen= 4 Die Kirche greift in der heiligen Messe das Opfer unseres
Vaters Abraham5 auf und bittet Gott, er möge versöhnt und gütig auf die reine,
heilige, makellose Opfergabe6 schauen, die sie darbringt. Auch die Kirche weiß -
wie Abraham -, daß die ihr verheißee Fruchtbarkeit von Gott kommt, von der Treue
zu seinem Bund. Gott nimmt das Opfer an und beschenkt uns. Aber: »Gott schenkt,
damit wir schenken können. Dies ist das Wesen des eucharistischen Opfers, des
Opfers Jesu Christi; so drückt es seit ältesten Zeiten der römische Kanon aus:
De tuis donis ac datis offerimus tibi - aus deinen Geschenken und Gaben schenken
wir dir.«7
II. Im
Evangelium8 spricht der Herr zunächst von der unguten Fruchtbarkeit falscher
Propheten: Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie Schafe,
in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. Das Volk Israel hat sie immer
wieder als die trügerischen Verkünder erlebt: Sie weissagten im Namen des Baal
und verführten mein Volk Israel (...); sie verkünden Visionen, die aus dem
eignen Herzen kommen, nicht aus dem Munde des Herrn (...). Ich aber habe sie
weder gesandt noch beauftragt, und sie sind diesem Volk ganz unnütz.9
Auch die
Kirche hat sie von Anfang an gekannt. Paulus nennt sie falsche Brüder und
Eindringlinge, die sich eingeschlichen hatten, um die Freiheit, die wir in
Christus Jesus haben, argwöhnisch zu beobachten und uns zu Sklaven zu machen10,
Petrus falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren verbreiten und den Herrscher,
der sie freigekauft hat, verleugnen11.
Die
Warnung des Herrn gilt zu allen Zeiten. Auch heute verbreiten manche statt Licht
Dunkelheit, statt Klarheit Verwirrung, statt Einheit Zwiespalt. Wer wachsam und
klug seinen Glauben schützen will, merkt sich das Unterscheidungsmerkmal: An
ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Erntet man etwa von Dornen Trauben und
von Disteln Feigen? Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter
Baum aber schlechte. Aber da auch eine schlechte Lehre sich den Anschein des
Guten gibt, soll man sich bei ihrer Beurteilung nicht auf sich selbst, auf
subjektive Eindrücke verlassen, sondern auf das lebendige Lehramt der Kirche,
»das kraft der im Namen Christi ausgeübten Autorität die einzige authentische
Instanz für die Auslegung des geschriebenen oder überlieferten Wortes Gottes
ist«12.
Was
garantiert aber die guten Früchte? Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der
bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.13 Dem
Herrn begegnen in der Eucharistie als die Mitte des christlichen Lebens und in
seinem Wort im persönlichen Beten. Die Askese - Zucht und Maß - bereitet das
Feld dafür. »Dieser Hilfen müssen sich die Laien so bedienen, daß sie bei der
echten Erfüllung ihrer weltlichen Pflichten in den gewöhnlichen
Lebensverhältnissen die Vereinigung mit Christus nicht von ihrem Leben
abspalten, vielmehr in dieser Vereinigung dadurch noch wachsen, daß sie ihre
Arbeit gemäß dem Willen Gottes leisten.«14
Die
Früchte reifen im geduldigen Tragen von Widerwärtigkeiten in einer Atmosphäre
fragwürdiger Sucht nach totalem Wohlbefinden; in der Gelassenheit, mit der man
fremde Fehler zu entschuldigen weiß; im Ernstnehmen der eigenen Pflicht; in der
Zurückhaltung beim Gebrauch materieller Güter; im Dank für eine kleine
Aufmerksamkeit; im pünktlichen Beginnen des Gebetes; im Bemühen, Zerstreuungen
zu meiden und am bestmöglichen Ort zu beten.
Wovon das
Herz voll ist, davon spricht der Mund15: Wer nur auf sich selbst baut - auf sein
Wissen, seine Erfahrung, sein Können -, bringt nur scheinbar Frucht, die rasch
verdorrt. Wenn das Herz nicht Christus, sondern nur das eigene Ich kennt, sind
Ratschläge bloß die Frucht eigener Klugheit und bleiben ohne übernatürlichen
Sinnzusammenhang. Prüfen wir uns heute, ob unser Herz erfüllt ist von Gott, denn
nur so können unsere Früchte gute Früchte sein. Und prüfen wir uns, ob wir auch
in der Gegenwart Gottes zu leben suchen, bei der Arbeit und im Familienleben,
denn dies sind die Orte, wo die anderen unsere guten Früchte pflücken werden.
III. Aus
der religiösen Sendung der Kirche fließen »Auftrag, Licht und Kraft, um der
menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach dem göttlichen Gesetz
behilflich zu sein«16, aber eine weitverbreitete Fixierung auf materielle Güter,
eine säkularisierte Lebenseinstellung machen viele dafür undurchlässig. Mit
Säkularisierung »ist nicht bloß die Verweltlichung des gesellschaftlichen Lebens
gemeint, auch nicht nur das Selbständigwerden der Lebensbereiche gegenüber dem
bestimmenden Einfluß der Religion, sondern die Abschwächung und der Verlust
religiöser Elemente in unserem Denken und Fühlen. Sehr viele Menschen leben, als
ob Gott nicht existierte. Man erkennt diesen Schwund konkreter Religiosität z.B.
daran, daß immer mehr Menschen ohne das Gebet am Morgen, am Abend oder bei Tisch
auskommen. (...) Unser Leben und Denken insgesamt erscheint wie in sich
abgeschlossen: Es läßt nicht einmal mehr einen Türspalt offen für das, was
unsere Welt übersteigt und jenseits unserer Geschichte liegt.«17
Diese
Situation »stellt das Christentum und die Kirche vor die radikalste
Herausforderung, die die Geschichte bisher gekannt hat«18. Der Konsumismus
fördert den Egoismus, die Blindheit angesichts der Nöte der Mitmenschen. Und
»der Verachtung des anderen Menschen folgt die Selbstverachtung fast notwendig
nach. Wenn der Mensch nichts Höheres zu erwarten hat als nur materielle Dinge,
dann wird ihm die ganze Welt ekelhaft und leer.«19 Die Hoffnungslosigkeit hat
viele Gesichter: Sucht, Abtreibung, Diebstahl, Ehescheidung, Gewaltbereitschaft,
Kindesmißhandlung, Selbstmord. Bei aller Unterschiedlichkeit ist es, als ob der
Mensch den Blick für das eigene Personsein und für das menschliche Antlitz des
Nächsten verloren hätte.
Anstelle der christlichen Tugend der
Hoffnung - »verankert= sein in Christus - entstehen dann Zerrbilder der
Hoffnung. Es kommen irrationale, heidnische Glückserwartungen auf, man sagt ein
neues kosmisches Zeitalter voraus. Wer sich aber von Christus befreit« gerät
unwillkürlich in die Sklaverei von Götzen und wird von Naturängsten
drangsaliert. Er ist dann wie ein kranker Baum, der nur schlechte Früchte
bringt.»Die Gesellschaft braucht Christen, die gute Früchte bringen. »Viele
meinen, die Beziehungen, die zwischen den einzelnen Menschen und dem Staat
bestehen, könnten durch dieselben Gesetze geregelt werden, durch welche die
vernunftlosen Kräfte und Elemente des Universums gelenkt werden. Diese Gesetze
aber, die von ganz anderer Art sind, können selbstverständlich nur dort
entnommen werden, wo sie der Schöpfer aller Dinge eingeschrieben hat, nämlich
aus der Natur des Menschen.
Durch
diese Gesetze werden die Menschen deutlich belehrt, wie sie ihre gegenseitigen
Beziehungen im Zusammenleben mit anderen Menschen gestalten sollen; wie die
Beziehungen zu regeln sind, die zwischen den Staatsbürgern und den staatlichen
Behörden bestehen; ferner, wie die Staaten einander begegnen sollen;
schließlich, in welcher Weise die einzelnen Menschen und Staaten und
andererseits die Gemeinschaft aller Völker sich gegeneinander zu verhalten
haben.«20 Eine Gesellschaft, die versucht, Gott und die Kirche aus ihrem
Lebensraum zu verbannen und aus ihren Gesetzen zu tilgen, fügt ihren Bürgern
schwersten Schaden zu.
Die Welt
wird menschlicher, wenn sie Gott näher gebracht wird. Sind wir wirklich Salz und
Licht für die anderen? An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. Jeder gute
Baum bringt gute Früchte hervor.
1 Gen
15,1-12.17-18. - 2 II.Vat.Konz., Konst. Lumen gentium, 16. - 3 ebd., 9. - 4
Katechismus der Katholischen Kirche, 762. - 5 Erstes Hochgebet. - 6 ebd. - 7
J.Ratzinger, Eucharistie - Mitte der Kirche, München 1978, S.25. - 8 Mt 7,15-20.
- 9 Jer 23,13.16.32. - 10 Gal 2,4. - 11 2 Petr 2,1. - 12 Kongregation für die
Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen,
24.5.1990, 13. - 13 Joh 15,5. - 14 II.Vat.Konz., Dekret Apostolicam
actuositatem, 4. - 15 Lk 6,45. - 16 II.Vat.Konz., Konst. Gaudium et spes, 42. -
17 K.Lehmann, Hirtenwort zur österlichen Bußzeit 1992. - 18 Johannes Paul II.,
Ansprache, 11.10.1985. - 19 J.Ratzinger, Christlicher Glaube und Europa, München
1981, S.13. - 20 Johannes XXIII., Enz. Pacem in terris, 6-7.