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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
7. SONNTAG (LESEJAHR C)

3

GROSSHERZIGKEIT

Das weite Feld der Hochherzigkeit.
Vergebungsbereitschaft und Freigebigkeit.
Großmut und Demut.

I. David ist auf der Flucht vor König Saul. Mitten in der Nacht gelingt es ihm, zusammen mit seinem Begleiter Abischai unbemerkt in das Lager seines Verfolgers einzudringen. Sie fanden Saul mitten im Lager schlafend; sein Speer steckte neben seinem Kopf in der Erde, und rings um ihn schliefen Abner und seine Leute. Da sagte Abischai zu David: Heute hat Gott deinen Feind in deine Hand gegeben. Jetzt werde ich ihn mit einem einzige Speerstoß auf den Boden spießen, einen zweiten brauche ich nicht dafür.1

Sauls Tod hätte den Verfolgten von allen Gefahren befreit und ihm den Weg zum Thron geebnet; aber David sieht in seinem Verfolger den König und Gesalbten des Herrn. Er schont dessen Leben und wählt wieder einmal2 den Weg der Gerechtigkeit und Treue.

Die Texte der ersten Lesung eignen sich dazu, die Tugenden der Hochherzigkeit und der Großmut näher zu betrachten. Im Evangelium sagt uns der Herr: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen, betet für die, die euch mißhandeln. Lesung und Evangelium passen zueinander: der künftige König Israels weist auch hier durch seine Haltung auf den kommenden Messias hin und nimmt vorweg, was dieser verkünden wird.

Hochherzigkeit ist eine natürliche Tugend, die »ein gewisses Sich-Ausstrecken des Geistes auf Großes«3 bedeutet. Sie schließt verschiedene Grundhaltungen ein, die wir hier ohne Rücksicht auf die feinen Unterschiede zusammen betrachten können: Weite des Herzens, Vergebungsbereitschaft, Freigebigkeit und Güte, die sich auch dort bewährt, wo man keine Ge= 3 bedeutet. Sie schließt verschiedene Grundhaltungen ein, die wir hier - ohne Rücksicht auf die feinen Unterschiede - zusammen betrachten können: Weite des Herzens, Vergebungsbereitschaft, Freigebigkeit und Güte, die sich auch dort bewährt, wo man keine Ggenleistung erwartet.

Natürliche Tugenden sind schon in sich wertvoll, aber sie werden im Blick auf das Übernatürliche fester, vollkommener. Christus geht über die rein natürliche Hochherzigkeit eines edlen Menschen weit hinaus und verweist auf den Vater: Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!

Die klassische Theologie betrachtet die Tugend der magnanimitas als Teil des Starkmutes. Man kann den lateinischen Ausdruck mit Hochgemutheit, Großherzigkeit, Großmut oder Großgesinntheit wiedergeben. Die magnanimitas ist in den Augen des heiligen Thomas von Aquin »der Schmuck aller Tugenden«4, denn sie »betrifft auf Grund ihres Gegenstandes alle« und »beabsichtigt, in jeder Tugend Großes zu leisten, insofern sie nämlich nach dem strebt, was großer Ehre würdig ist«5. Keine Ehre ist größer, als christusähnlich werden zu wollen, mit anderen Worten: als das Streben nach Heiligkeit.

Der Hochherzige nimmt sich hohe Ziele vor und schreckt vor den Hindernissen nicht zurück: um eines hohen Ideals willen erträgt er die Kritik der Unverständigen, den Argwohn eines feindseligen Milieus, die üble Nachrede der Neider. Er achtet mehr auf die geglaubte und erfahrene Wahrheit als auf Meinungen und Gerüchte, die oft nur auf Halbwahrheiten beruhen.

Die Heiligen geben uns ein Beispiel der Hochherzigkeit: durch die Ausrichtung ihres Lebens, durch den Schwung ihrer apostolischen Unternehmungen und auch durch die Art, wie sie Menschen begegnen - offen und ohne zu vergessen, daß auch die Verruchtesten die Würde der Gotteskindschaft besitzen und zu großen Idealen fähig sind. »Großherzigkeit, das bedeutet: großes Herz, weite Seele, für viele offen. Die Großherzigkeit bewirkt, daß wir aus uns heraustreten und uns zum Wohl aller für das Große und Wertvolle bereitstellen. Wer diese Tugend besitzt, kennt die Enge der Kleinkariertheit, des egoistischen Kalküls und der auf Vorteil versessenen Intrigen nicht, denn er stellt vorbehaltlos seine Kraft in den Dienst einer Sache, die sich lohnt. Er ist fähig, sich selbst hinzugeben. Nur geben genügt ihm nicht, er gibt sich selbst. Und so kommt er schließlich dem höchsten Zeichen der Großherzigkeit auf die Spur: sich Gott hinzugeben.«6

II. Der hochherzig Gesinnte ist stets bereit zu vergeben. Er rechnet nicht auf: weder die Schwere des Affronts noch ob es Freund oder Fremder ist, der ihn verwundet. Seine Vergebungsbereitschaft gründet nicht allein in der natürlichen Herzensgüte, sondern vor allem in der Nachahmung Christi. Und »nichts macht uns Gott so ähnlich, als sich gegen die Bösen und Missetäter versöhnlich zu zeigen«7, lesen wir bei Johannes Chrysostomos.

Die Vergebungsbereitschaft unseres Herrn kennt keine Grenzen. Christus betet am Kreuz: Vater, vergib ihnen ... und entschuldigt sogar seine Henker: denn sie wissen nicht, was sie tun8. Jesus lebt das, was er im heutigen Evangelium lehrt: Liebt eure Feinde (...), betet für die, die euch mißhandeln.9 Die Märtyrer folgen diesem Weg. Der erste, Stephanus, stirbt um Vergebung bittend für jene, die ihn steinigen.10 Ist es dann nicht naheliegend, bereit zu sein, Kleinigkeiten - darum handelt es sich, gemessen am Martyrium, ja doch meistens nur - zu vergeben? Man kann sich keinen guten Menschen - und viel weniger einen Christen - vorstellen, der ständig eine »Revancheliste« bei sich trägt.

Unsere Fähigkeit zu vergeben wird sich also meistens in den kleinen Dingen des Alltags bewähren müssen, gelegentlich auch in wichtigeren, etwa wenn uns jemand absichtlich beleidigt oder gar verleumdet hat. Jedesmal bietet sich dann die Gelegenheit, zusammen mit der gewährten Vergebung die erlittene Verwundung Gott als Opfer darzubringen. Und vielleicht gelingt es uns sogar - wie manchen Heiligen -, nicht einmal vergeben zu müssen, weil wir - auf Gott ausgerichtet - die Beleidigung nicht einmal gespürt haben.

Neben der Vergebungsbereitschaft ist ein weiteres Zeichen der Großherzigkeit die Freigebigkeit. Wem einmal ein Ideal aufgegangen ist, setzt vorbehaltlos alles dafür ein - Geld, Arbeit, Zeit. Dabei weiß er, daß Gott sich an Großzügigkeit nicht übertreffen läßt: In reichem, vollem, gehäuftem Maß wird man euch beschenken; denn nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden.11 Fragen wir uns also, ob wir bereit sind, großherzig vom Eigenen zu geben; mehr noch, uns entschlossen selbst hinzugeben auf dem Weg, zu dem der Herr uns berufen hat.

Die großzügige Bereitschaft, zum Wohl der Menschen und zur Ehre Gottes beizutragen, wird sich oft im Hergeben, im Schenken und Spenden ausdrücken. Ein großherziger Mensch ist freigebig - klug die Umstände wertend, aber weder kleinlich noch knauserig. Die großen Kathedralen des Mittelalters zeugen von diesem Geist: sie haben »die großen Zeiten einer gemeinsamen Kultur Europas im Bereich des Glaubens, der Wissenschaft und der Kunst miterlebt«12. Auch bei der Ausstattung des Gotteskults hat sich die Kirche immer bemüht, »daß die Dinge, die zur heiligen Liturgie gehören, wahrhaft würdig seien, geziemend und schön: Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeiten. (...) Mit besonderem Eifer war die Kirche darauf bedacht, daß das heilige Gerät würdig und schön zur Zierde der Liturgie diente.«13 Viele gute Christen haben sich in diesem Geist von kostbaren Gegenständen getrennt, um ein Gnadenbild oder eine Wallfahrtskirche würdiger auszustatten. Die verschwenderische Großzügigkeit für die Dinge Gottes mindert die Gebefreudigkeit für Werke der Caritas, der Erziehung oder der Bildung nicht. Als Mutter Teresa einmal einen kostbaren Ring geschenkt bekam, sagte sie, sie wolle ihn nicht zu Geld für die Armen machen, sondern für eine Monstranz verwenden: »Denn wenn der Herr zu kurz kommt, verhungern mir die Kinder«14.

In unserer Überfluß-Gesellschaft geschieht es nicht selten, daß apostolisch-karitative Werke aus Geldmangel ihre Arbeit drosseln müssen. Wie viel mehr wäre möglich, wenn mehr hilfsbereite Menschen sie mittrügen! Seien wir also nicht nur selbst gebefreudig, sondern spornen wir auch andere Menschen zur Mitarbeit an. Die Weite des Herzens erleichtert die Begegnung mit Gott. Manchmal wird die Aufmunterung an den Freund, großzügig zu sein, zum Prüfstein wahrer Freundschaft.

III. »Hochgemutheit ist das Sichspannen des Geistes auf die großen Dinge; wer sich das Große zumutet und sich seiner würdig macht, der ist hochgemut.«15 Kleinmut dagegen ist ein Zurückweichen des Willens, Feigheit vor einem großen Streben. Der Kleinmütige bleibt seinem engen Horizont verhaftet, bequem, träge und ohne Ideale.

Gott hat »beherzte Seelen«16 gern, sagt die heilige Theresia von Avila. Und an einer anderen Stelle schreibt sie: »Wenn ich einer wäre, der zu raten hat, so würde ich niemals raten, eine oft wiederkehrende gute Eingebung aus Furcht nicht in die Tat umzusetzen; denn tut man es rein nur um Gottes willen, so soll man nicht fürchten, daß es schlecht ausfallen wird, da ja Gott mächtig ist, uns in allem zu helfen.«17 Kleinmut erschwert den Umgang mit Gott.

Kleinkarierte Geister meiden jede Festlegung: etwa durch eine Lebensordnung mit festen Gebetszeiten oder im geduldigen Voranbringen einer apostolischen Initiative. Überhaupt wagen sie es nicht, sich hinzugeben - alles erscheint ihnen zu viel verlangt, sie können das Wort der heiligen Theresia nicht fassen: »Unbillig ist es, jemandem, der uns so viel gegeben hat und weiterhin gibt, etwas, womit wir ihm dienen und was wir ihm schenken wollen, (...) nicht mit aller Entschlossenheit hinzugeben, sondern nur leihweise, wie etwas, das man zurücknehmen will. Das nenne ich nicht >schenken<.«18

Großmut wächst in dem Maße, in dem man Umgang mit Christus pflegt. Das Gebetsleben stärkt den Willen, Großes auf Gott hin zu tun. »Hochgemutheit schließt in sich eine unbeugsame Festigkeit des Hoffens, eine geradezu herausfordernde Zuversichtlichkeit und die gänzliche Ruhe eines furchtlosen Herzens. Der Hochgemute unterwirft sich nicht der Verwirrung des Gemütes, nicht irgendeinem Menschen, nicht dem Schicksal - nur Gott.«19 Deswegen gehören Großmut und Demut zusammen. Der Großmutige wagt Großes, weil er weiß, daß nicht sein Können, sondern die Gnade ihn befähigt, die Werke Gottes zu tun. Augustinus schreibt, das Wort des heiligen Paulus kommentierend: »Alles vermag ich in ihm, der mich stark macht (Phil 4,12). So mach mich stark, daß ich es vermöge, gib, was du forderst, und dann fordre, was du willst.«20

Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen21. Auf diese Macht stützt sich der Großmutige. Er ist mutig im Apostolat, weil er weiß, daß Gott sich der Menschen als Instrumente seiner Werke bedienen will, die nur er wachsen läßt22.

Am Schluß sei noch einmal die heilige Theresia zitiert. Die große Mystikerin mußte sich mit allerlei Plagen herumschlagen, die sie aber mit Humor ertrug. Mitten in den Verhandlungen beim Kauf einer Wohnung für eine neue Klostergründung schreibt sie an einen ihrer Wohltäter: »Der Herr verleihe Ihnen und mir die Gnade, zu erkennen, wie wir ihm dienen sollten, damit wir ihm wenigstens etwas von dem abtragen, was wir ihm schulden. Er verschaffe uns recht viel Gelegenheit zu leiden, und sei es auch nur durch« hören wir nun den unübertrefflichen Klang ihrer genialen Sprache, »>pulgas y duendes y caminos< - Flöhe, Kobolde und schlechte Wege.«23

1 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23. - 2 vgl. 1 Sam 24,1ff. - 3 Thomas von Aquin, Summa theologica, II-II,q.129,a.1. - 4 ebd., a.4. - 5 ebd. - 6 J.Escrivá, Freunde Gottes, 80. - 7 Johannes Chrysostomos, Homilien über das Matthäusevangelium, 19,7. - 8 Lk 23,34. - 9 Lk 6,27-28. - 10 vgl. Apg 7,60. - 11 Lk 6,38. - 12 Johannes Paul II., Predigt in Speyer, 4.5.1987. - 13 II. Vat. Konz., Konst. Sacrosanctum Concilium, 122. - 14 vgl. J.Meisner, Gedanken zur Neuevangelisierung, in: Seelsorge am Anfang?, St.Ottilien 1990, S.16. - 15 J.Pieper, Das Viergespann, München 1964, S.262. - 16 Theresia von Avila, Leben, 13. - 17 ebd., 4,2. - 18 ders., Weg zur Vollkommenheit, 39. - 19 J.Pieper, a.a.O., S.263. - 20 Augustinus, Bekenntnisse, 10,31. - 21 Mt 3,9. - 22 1 Kor 3,7. - 23 Theresia von Avila, Brief an Antonio Gaytán, Juni 1574.

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