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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
17. SONNTAG (LESEJAHR B)

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GROSSE WUNDER UND KLEINE DINGE

Ein pädagogisches Vorspiel.
Jesus und die Liebe zu den kleinen Dingen.
Warum sind die kleinen Dinge wertvoll?

I. Eine große Menschenmenge folgte Jesus, heißt es bei Johannes im Evangelium dieses Sonntags1, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat. Sie sahen nicht nur, sie hörten auch die Worte des Meisters und vergaßen darüber alles: Müdigkeit, Hunger, die abgelegene Gegend, den weiten Nachhause-Weg. Auf diesem Hintergrund spielt sich das aufsehenerregende Wunder ab, das Johannes berichtet und das auch die drei Synoptiker erwähnen.2

Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Art der Darstellung machen deutlich, wie die göttliche Inspiration die persönliche Begabung und die Arbeitsweise der heiligen Schriftsteller einbezieht; jeder hat »die älteste Unterweisung, die zunächst mündlich, dann schriftlich überliefert wurde (...), nach einer Methode, die dem besonderen Ziel, das jeder sich vorgenommen, entsprach, zum Nutzen der Gemeinden in den vier Evangelien aufgezeichnet. Manches wählten sie aus reichem Überlieferungsstoff aus, anderes faßten sie zusammen, anderes erklärten sie nach dem Stand der Gemeinden.«3 Wir wollen nur einige Nuancen hervorheben, die für unser Gebet von Nutzen sein können.

Es fällt auf, wie Johannes den Stoff theologisch durcharbeitet und transparent macht, indem er das Wunder als Zeichen deutet. Die Jünger treten ganz in den Hintergrund, Jesus ist der allein Handelnde. Bei den Synoptikern hingegen sind es die Jünger, die Jesus auf den Hunger der Leute aufmerksam machen. Auch die Zeitangabe, die wir nur bei Johannes finden, betont das Zeichenhafte: Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe. Der Evangelist »betrachtet die wunderbare Speisung der Volksmenge offenbar als Vorausdarstellung des eucharistischen Mahles. Die Leser sollen daran erinnert werden, daß Jesus am jüdischen Osterfeste als das wahre Osterlamm für die Sünden der Menschen am Kreuze gestorben ist und in der Eucharistie den Seinen sein Fleisch und Blut zur Speise gibt, wie es in der nachfolgenden Rede dargelegt wird.«4

Der Rahmen des Ganzen ist drastisch real: Die Menschen sind weit weg von zuhause in einer abgelegenen Gegend, und auch wenn sie es in ihrer Begeisterung nicht merken, beginnen sie hungrig zu werden. Der Herr merkt es und empfindet Mitleid. Er wirkt ein Wunder, das in seiner Tiefe auf das große künftige Geschenk der Eucharistie verweist, zugleich aber einer momentanen Not abhilft.

Ein pädagogischer Zug steht am Anfang; Jesus will die Jünger ihre Ohnmacht spüren lassen: Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? fragt er Philippus. Natürlich muß dieser seine Ratlosigkeit bekennen, denn nicht einmal, wenn sie Brot für zweihundert Denare kaufen könnten - vielleicht hatten sie noch soviel in der gemeinsamen Kasse -, würde es ausreichen. Auch Andreas muß kapitulieren. Was sind die fünf Gerstenbrote und zwei Fische eines kleinen Jungen für eine solche Menge! Uns jedoch, den Lesern und Betern, verrät der Evangelist, was Andreas und Philippus damals noch nicht wußten: Jesus wollte sie nur auf die Probe stellen; denn er selbst wußte, was er tun wollte.

Nachdem die Jünger bemerkt haben, daß sie hilflos dastehen, müssen sie das Wenige, das in ihrer Macht steht, doch tun: die Brote und Fische des kleinen Jungen zu Jesus bringen. Und dann erweist sich verschwenderisch die Macht Jesu; Gott handelt, aber nicht ohne das Zutun des Menschen.

II. Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe. Es war also Frühjahr und dort gab es - anders als im trockenen und heißen Sommer Palästinas - viel Gras. Laßt die Leute sich setzen! sagt Jesus zu den Jüngern - auch in eine solche Kleinigkeit will er sie einbeziehen.

Die Fünftausend sättigten sich an den Broten und Fischen, die sie von Jesus empfingen. Auch hier ist bei Johannes Jesus der allein Handelnde: er teilte an die Leute aus, soviel sie wollten; bei den Synoptikern heißt es, Jesus gab sie (die Brote und Fische) den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten, und alle aßen und wurden satt5.

Gesättigt und begeistert sehen auch die Beschenkten in diesem Vorgang ein Zeichen, ja, sie meinen zu verstehen, was es bedeutet: Das ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll. Der Schatten des politischen Messias senkt sich auf die Szene, manche mögen in ihrem Überschwang schon angefangen haben zu rufen: Er soll unser König sein! Vielleicht träumen sie davon, er würde ebenso leicht wie die Brote und Fische auch Waffen und Geld vermehren. Der Evangelist bemerkt nur: Jesus zog sich wieder auf den Berg zurück, er allein.

Doch zuvor sehen wir den Herrn seinen Jüngern eine weitere praktische Lektion erteilen. Während die Menge begeistert ist, lehrt Jesus die Seinen, die scheinbar nebensächlichen Dinge des Lebens nicht aus dem Auge zu verlieren: Sammelt die übrig gebliebenen Brotstücke, damit nichts verdirbt. Sie sammelten und füllten zwölf Körbe mit den Stücken, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren. Jesus schenkt im Überfluß - alle aßen, soviel sie wollten -, aber er vergeudet nicht. Nicht nur die großen Wunder, auch diese kleinen alltäglichen Dinge zeigen die Aufmerksamkeit seines Herzens.

Jesus weiß, was die kleinen Dinge im Leben bedeuten; dreißig Jahre lang war er ja mit den üblichen Dingen einer Handwerkerexistenz beschäftigt in einer kleinen Dorfgemeinschaft. Und auch hierin handelte er als der Sohn Gottes, der uns durch sein Erdenleben erlöst. Später, während seines öffentlichen Lebens, können wir beobachten, wie sein stetiger Dialog mit dem himmlischen Vater ihm keineswegs den aufmerksamen Blick für das Kleine und Naheliegende nimmt. Er hat sozusagen einen Sinn für das Unwesentliche. Er merkt, wann die Jünger eine Verschnaufpause brauchen6. Der auferweckten Tochter des Jairus läßt er zu essen geben; nach der Auferweckung des Lazarus weist er die begeisterte Menge auf das hin, was sie tun sollen: Löst ihm die Binden und laßt ihn weggehen.7 Immer ist er konzentriert auf das, was der Augenblick gebietet. Er lehrt uns, nicht hinter dem Mond zu sein, nicht in den Wolken zu leben, sondern Augen und Gespür für das Naheliegende, das Alltägliche, das Winzige zu haben. Der heilige Paulus ermahnt uns in der heutigen Lesung: Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe.8 Oft erweisen sich Freundlichkeit, Geduld und Herzlichkeit weniger in großen Gesten als in einer kleinen Aufmerksamkeit.

Warum sind die kleinen Dinge so wertvoll? Nicht weil sie in sich einen großen Wert besäßen. Sie sind ja klein. Aber: »Ich versichere euch, wenn ein Christ die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags mit Liebe verrichtet, dann erfüllt sich diese Kleinigkeit mit der Größe Gottes« rief einmal der selige Josemaría Escrivá in einer Predigt vor Tausenden aus.9

III. »Das Meer besteht aus lauter Tropfen, die Million aus lauter Pfennigen und das Leben aus lauter Minuten. Aber die Menschen wollen nicht mehr wissen von der Weisheit der Schöpfung, die das unendlich Große aus dem unendlichen Kleinen bestehen läßt. (...) Eine Minute ist es, in der der kleine Mensch den ersten Brüller tut. Eine Minute ist es, in der er der Geliebten begegnet, und in einer Minute stirbt er. Wir gehen ganz handlich mit den Jahrhunderten um. Mit den Minuten können wir nicht hantieren.«10

Warum war es für Jesus so wichtig, die übriggebliebenen Brotstücke einsammeln zu lassen? Warum die nüchterne Realität im Auge behalten, wenn sich etwas Überwältigendes ereignet hat? Weil unser Leben aus kleinen Stückchen und oft genug aus geradezu banal anmutenden Dingen besteht. Doch auch mit den allergewöhnlichsten Verrichtungen kann man ein dichtes Netz der Treue und Liebe knüpfen. Der selige Josemaría Escrivá betet zu Gott: »>In Werken lebt die Liebe und nicht in schönen Worten.< Werke, Werke! - Mein Vorsatz: Wie schon immer will ich dir oft sagen - wie viele Male habe ich es heute bereits gesagt! -, daß ich dich liebe. Aber vor allem will ich - mit Hilfe deiner Gnade - durch mein Tun, durch die >kleinen Dinge< des Alltags - mit beredtem Schweigen - meine Liebe zu dir unter Beweis stellen.«11

Wahrscheinlich bietet sich uns nur selten, vielleicht niemals die Gelegenheit dazu, heroisch zu sein, etwa ein Menschenleben zu retten. Aber immer wieder können wir aufmerksam im Kleinen sein: ein freundliches Wort, einem, der müde ist, helfen, ein Dankeschön nicht vergessen, ein verdientes Lob aussprechen. Feinfühlig, findet man überall Gelegenheit zu kleinen Opfern, die man Gott darbringt und die andere beflügeln können: ein bedachtes Wort, das ein peinliches Schweigen überbrückt, aufmerksames Zuhören, das den Sprechenden ernst nimmt. Am eigenen Leib haben wir erfahren, wie hilfreich solche Kleinigkeiten sein können: winzige Details nur, doch wie ein Reflex der Menschenfreundlichkeit Gottes, die in Christus Gestalt annahm.

Besonders im Glaubensleben, im Umgang mit Gott, sind die kleinen Gesten wichtig und lassen den Glauben und die Liebe konkret werden: ein Stoßgebet, im Vorübergehen an einer Kirche gesprochen, als Gruß an Jesus in der Eucharistie, oder ein gesammelter Blick auf das Kreuz oder auf ein Bild Unserer Lieben Frau.

Die kleinen Dinge haben einen nicht zu unterschätzenden Vorteil, sie bleiben unter dem Pegel, der die Eitelkeit hochschwemmen könnte. Keiner wird Stolz empfinden, weil er seinen Sitzplatz für einen alten oder behinderten Menschen freigemacht hat. Das schlichte, gewöhnliche Tun ist natürlich und übernatürlich zugleich, es erfüllt sich, bewußt getan, mit der Größe Gottes. So verstehen wir gut das Wort des Herrn: Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen.12

Maria war beim Aufbruch ihres Sohnes vom verborgenen zum öffentlichen Leben zugegen. Am Ende unserer Zeit des Gebetes sagen wir zu ihr: Zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht deines Leibes13, lehre uns, die großen Geschenke Gottes in die kleinen Dinge unseres Alltags hineinzulegen, so wie Jesus damals, als er ein großes Wunder wirkte und dabei nicht vergaß, die Brotreste einsammeln zu lassen.

1 Joh 6,1-15. - 2 vgl. Mt 14,14-21; Mk 6,34-44; Lk 9,11-17. - 3 Päpstliche Bibelkommission, Instruktion über die historische Wahrheit der Evangelien, 21.4.1964. - 4 Regensburger Neues Testament, Bd. 4, Regensburg 1961, S. 120. - 5 Mt 14,19-20; Mk 6,41; Lk 9,16. - 6 vgl. Mk 6,31. - 7 Joh 11,44. - 8 Eph 4,2. - 9 Gespräche mit Msgr. Escrivá de Balaguer, Köln 1992, S. 177. - 10 P. Bamm, Kleine Weltlaterne, Stuttgart 1935. - 11 J. Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr. 498. - 12 Mt 25,21. - 13 Salve Regina.

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