JAHRESKREIS
27. WOCHE - SAMSTAG
36
DAS GEBET
ZUR GOTTESMUTTER
Marienlob
ist Gotteslob.
Das Gegrüßet-seist-du-Maria und der Rosenkranz.
Ein Beten, das vom allumfassenden Heilsplan Gottes bis zu konkreten persönlichen
Anliegen alles einschließt.
I.
Als Jesus
zum Volke redete, rief eine Frau aus der Menge ihm zu: Selig die Frau, deren
Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat.
»In ihren Worten erkennen wir einen Erweis der Volksfrömmigkeit, die im Verlauf
der Geschichte immer lebendig unter den Christen geblieben ist.«2
Der Herr
greift das begeisterte Kompliment auf und deutet es um:
Selig
sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.
Natürlich ist Maria selig, weil sie den Sohn Gottes in ihrem heiligen Schoß
getragen und mütterlich umhegt hat, aber noch seliger ist sie, weil sie in
einzigartiger Treue das Wort Gottes empfangen hat. Das Zweite Vatikanischen
Konzil sagt dazu: »Im Verlauf seiner Verkündigung nahm sie die Worte auf, in
denen der Sohn das die Ansprüche und Bande von Fleisch und Blut übersteigende
Reich predigte und die selig pries, die das Wort Gottes hören und es bewahren,
wie sie selbst es getreulich tat (vgl.
2,19 und 51).«3
Der Ruf
der unbekannten Frau, den wir im Evangelium der heutigen Messe hören, weist uns
hin auf eine wunderbare Art, Gott zu loben und zu preisen: indem wir die Mutter
des Gottessohnes verehren. Das Marienlob, das sich in vielen Stoßgebeten, im
Engel des Herrn, im Rosenkranz und in zahlreichen Formen der Volksfrömmigkeit
äußert, ist Gotteslob. Papst Johannes Paul II. sagte zu einer Gruppe von
Pilgern: Ȁhnlich wie jene Frau aus dem Evangelium in ihrem bewundernden Ruf
Jesus und seine Mutter lobpries, pflegt auch ihr - in eurer Zuneigung und eurer
Frömmigkeit - Maria mit Jesus immer zu verbinden. Ihr begreift, daß die heilige
Jungfrau uns zu ihrem göttlichen Sohn führt und daß dieser immer die Bitten
seiner Mutter erhört.«4 Der Weg über Maria ist der kürzeste Weg zu Christus und
durch ihn zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Wer Maria verehrt und sich als
ihren Sohn, ihre Tochter fühlt, folgt Christus und wird ihm ähnlich. »Denn Maria
vereinigt, da sie zuinnerst in die Heilsgeschichte eingegangen ist,
gewissermaßen die größten Glaubensgeheimnisse in sich und strahlt sie wider.
Daher ruft ihre Verkündigung und Verehrung die Gläubigen hin zu ihrem Sohn und
seinem Opfer und zur Liebe des Vaters.«5
II.
Betend reihen wir uns in die Schar der Christen ein, die durch die Jahrhunderte
Maria verehrt haben und auch heute verehren. Vor allem steht das
Gegrüßet-seist-du-Maria in der Mitte unseres Gebetes. Der Angelpunkt seiner
beiden Gebetsteile ist das Wort »Jesus«: »seinetwegen wird Maria gegrüßt,
seinetwegen aber auch um Fürbitte angefleht, und zwar nicht in kleinen
individuellen Nöten, sondern in der tiefsten universalen Heilssorge der
Menschen, die sich aus Sünden- und Todesnot ergibt. So populär dieses Gebet auch
geworden ist, so hat es doch nichts Volkstümliches zum Inhalt, sondern stellt
gerade in seiner Gerafftheit ein prägnantes Modell der Erlösungswirklichkeit
dar, in welcher der Mensch in Maria eine Hilfe für sein letztes Heil findet.«6
Das
Gegrüßet-seist-du-Maria entfaltet sich dann im »Engel des Herrn« und im
Rosenkranz. In diesem Monat Oktober ist es besonders passend, sich diesem Gebet
zuzuwenden, das »ein Gebet des Dankes, der Liebe und der vertrauensvollen Bitte
ist und immer bleibt: das Gebet der Mutter der Kirche.«7 »Der Rosenkranz ist ein
Gebet, das Maria in ihrer Verbundenheit mit Christus und seiner Heilssendung
schildert. Zugleich ist es ein Gebet an Maria, unsere beste Fürsprecherin bei
ihrem Sohn. Schließlich ist der Rosenkranz ein Gebet, das wir in besonderer
Weise mit Maria sprechen, so wie die Apostel im Abendmahlssaal gemeinsam mit ihr
beteten, als sie sich auf die Herabkunft des Heiligen Geistes vorbereiteten.«8
Im
Rosenkranz betrachten wir mit den Augen Mariens das Leben unseres Herrn. Die
freudenreichen Geheimnisse lehren uns Nähe zu Gott in einem Alltag, dem der
Glaube einen freudigen Hintergrund gibt, die schmerzensreichen Geheimnisse
lassen uns das Leiden annehmen, die glorreichen stärken in uns die Hoffnung auf
die Vollendung. So ist der Rosenkranz wie eine Leiter, die wir zusammen mit
Unserer Lieben Frau schrittweise emporsteigen, Christus entgegen. Wir rufen
Maria an und gelangen zu Christus.
Der
Rosenkranz schafft inneren Frieden, nicht zuletzt durch die meditative
Wiederholung. »Die Frömigkeit - so wie die Liebe - wird nicht müde, diesselben
Worte zu wiederholen, denn das Feuer der Liebe entzündet sie und gibt ihnen
jedesmal neue Inhalte.«9 Es kann helfen, gelegentlich bei diesem oderjenem Wort
besonders zu verweilen: Mutter Gottes...! Bitte für uns Sünder...! Jetzt...! Und
jedesmal wird ein besonderer Gedanke, ein besonderes Anliegen, eine Not
vielleicht, unser Gebet beflügeln.
III. »Der
Rosenkranz. - Die freudenreichen, die schmerzensreichen und die glorreichen
Geheimnisse im Leben Marias verflechten sich zu einem Kranz der Lobpreisungen,
die immer wieder neu angestimmt werden: von den Engeln und Heiligen im Himmel
und von denen, die unsere Mutter hier auf Erden lieben.
Bete
täglich dieses heilige Gebet und verbreite es!«10
Das Gebet
des Rosenkranzes weist hin auf den Heilsplan Gottes für alle Menschen. »In der
Christusmeditation des Rosenkranzes geht der Gläubige nicht etwa in einer Welt
subjektiver Religiösität auf, sondern er wird in einer spezifischen Weise der
Nachfolge Christi den Weg des Heiles entlanggeführt, dies aber unter Vermittlung
der Mutter des Herrn.«11 Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert die Gläubigen
daran, »daß die wahre Andacht weder in unfruchtbarem und vorübergehendem Gefühl
noch in irgendwelcher Leichtgläubigkeit besteht, sondern aus dem wahren Glauben
hervorgeht, durch den wir zur Anerkennung der Erhabenheit der Gottesmutter
geführt und zur kindlichen Liebe zu unserer Mutter und zur Nachahmung ihrer
Tugenden angetrieben werden.«12
Einerseits stellt uns die Verehrung Mariens vor den universalen Ratschluß
Gottes, andererseits aber drängt sie uns zur persönlichen, individuellen
Nachahmung ihres Lebens, zur treuen Erfüllung unserer konkreten Aufgaben im
Alltag, zur freudigen Annahme des göttlichen Willens heute. Betend erfahren wir,
daß Maria der Person und dem Werk des Erlösers »eine neue menschliche Resonanz
verleiht und den strahlenden Glanz seiner Erscheinung mit dem Licht demütiger
Menschlichkeit umkleidet.«13 Wir betrachten ihre Fügsamkeit gegenüber dem Wirken
des Heiligen Geistes und stärken unsere Bereitschaft, gerade inmitten
alltäglicher oder außergewöhnlicher Bedrängnisse - sei es Lauheit, Hochmut oder
ungeordnete Sinnlichkeit - für die Eingebungen des = 13 Wir betrachten ihre
Fgsamkeit gegenber dem Wirken des Heiligen Geistes und st„rken unsere
Bereitschaft, gerade inmitten allt„glicher oder auáergew”hnlicher Bedr„ngnisse -
sei es Lauheit, Hochmut oder ungeordnete Sinnlichkeit - fr die Eingebungen
desGeistes empfänglich zu bleiben.
Es ist
eine alte Tradition, auf einer Wallfahrt den Rosenkranz zu beten. Johannes Paul
II. sagte in Kevelaer vor dem Gnadenbild der Trösterin der Betrübten: »Die
wirklichen Zentren der Welt- und Heilsgeschichte sind nicht die betriebsamen
Hauptstädte von Politik und Wirtschaft, von Geld und irdischer Macht. Die wahren
Mittelpunkte der Geschichte sind die stillen Gebetsorte der Menschen. Hier
vollzieht sich in besonders dichter Weise die Begegnung der irdischen Welt mit
der überirdischen Welt, der pilgernden Kirche auf Erden mit der ewigen und
siegreichen Kirche des Himmels. Hier geschieht Größeres und für Leben und
Sterben Entscheidenderes als in den großen Hauptstädten, wo man meint, am Puls
der Zeit zu sitzen und am Rad der Weltgeschichte zu drehen.«14 Denn hier
erfahren wir, daß der große, unendliche Gott, der im Schoße Mariens Mensch
wurde, uns in unserer Sündhaftigkeit nicht zurückweist, sondern annimmmt: »>Du
Unbefleckte Jungfrau, ich weiß wohl, daß ich in meiner menschlichen
Gebrechlichkeit nichts anderes tue, als Tag für Tag die Menge meiner Sünden zu
vermehren ...< Dies sei deine Art, mit Maria, unserer Mutter, zu sprechen,
sagtest du mir vor ein paar Tagen.
Ich gab
dir den entschiedenen Rat, den Rosenkranz zu beten: Gesegnet sei die
>Eintönigkeit< des immer wiederholten >Gegrüßet seist du, Maria<, die die
Eintönigkeit deiner Sünden wettmacht!«15
11,27-28. -
Johannes Paul II.,
,
15.4.1987. -
II.Vat.Konz., Konst.
Lumen
gentium,
58. -
Johannes Paul II.,
,
15.4.1987. -
II.Vat.Konz., Konst.
Lumen
gentium,
65. -
L.Scheffczyk,
Maria in
der Verehrung der Kirche,
Wien 1981, S.29. -
Johannes Paul II.,
,
7.10.1981. -
ders.,
,
28.10.81. -
Pius XI., Enz.
Ingravescentibus malis,
29.9.1937. -
J.Escrivá,
Im Feuer
der Schmiede,
Nr.621. -
L.Scheffczyk,
Maria in
der Verehrung der Kirche,
Wien 1981, S.31. -
II.Vat.Konz., Konst.
Lumen
gentium,
67. -
L.Scheffczyk,
Maria in
der Verehrung der Kirche,
Wien 1981, S.32. -
Johannes Paul II.,
Ansprache
in Kevelaer,
2.5.1987. -
J.Escrivá,
Die Spur
des Sämanns,
Nr.475.