JAHRESKREIS
28. WOCHE - MONTAG
40
UNSER
TÄGLICHES BROT
Wir
bitten um alle lebensnotwendigen Gaben.
Die Eucharistie - Brot des Lebens.
Herr, gib uns immer dieses Brot!
I.
Unser
tägliches Brot gibt uns heute ...
Eine alte
orientalische Geschichte berichtet von einem König, der seinen Sohn zu Anfang
des Jahres für jeden Tag bis zum Beginn des nächsten Mondjahres großzügig mit
Lebensmitteln versorgte. Doch eines Tages besann sich der König eines Besseren:
er beschloß, seinem Sohn den Bedarf an Lebensmitteln nur für je einen Tag
zuzuteilen; so sahen sich Vater und Sohn jeden Tag wieder.
Vielleicht können wir von da her der Bitte um das tägliche Brot im Vaterunser
näherkommen. Wir bitten um das Brot für heute und wissen, daß auch morgen der
Vater da sein wird.
Gott ist
Vater - ein Vater, der unsere Not und unsere Bedürftigkeit kennt. »Es gibt
Bilder vom Göttlichen, vor denen weder Bitte noch Dank möglich ist; etwa, wenn
Gott nur als die heilige Ordnung der Welt oder als die Idee des Guten oder als
das Geheimnis des Daseins verstanden wird.
An einen
solchen Gott kann sich das Herz des Menschen mit seiner Not nicht wenden. Vor
ihm wäre die Bitte ebenso töricht wie der Dank. Das einzig Mögliche wäre
Ehrfurcht oder Bewunderung. Die Offenbarung sagt aber, daß Gott lebendige
Mächtigkeit ist; Kraft des Wollens und des Handelns; Person, die hören und
gewähren kann. (...)
Er ist
der reiche Gott, wie die geistlichen Meister sagen; und nicht nur seines eigenen
Reichtums froh, sondern auch bereit, ihn mitzuteilen.«1
Das Brot
ist das Grundnahrungsmittel des Menschen. Mangel an Brot bedeutet Mangel an
allem. Die Brotbitte des Vaterunser schließt alle Gaben ein, die für ein
menschenwürdiges Leben notwendig sind - geistig wie leiblich. Wir bitten um das
Notwendige für unseren Lebensunterhalt und um alles Nötige für das Heil der
Seele. Das Brot versinnbildet alle Gaben, die wir von Gott erhalten.
Brot kann
vieles bedeuten - und nicht zuletzt eben das unmittelbar Gemeinte: leibliche
Nahrung. Wir dürfen also auch um irdische Güter bitten. Es liegt dann an uns,
ihnen im Lichte des Glaubens den richtigen Stellenwert einzuräumen. Unser Herr
schätzt die leibliche Not nicht gering. Wenn er in Kana Wasser in Wein
verwandelt, dürfen wir bei aller Zeichenhaftigkeit des Wunders nicht vergessen,
daß das Gelingen eines Dorffestes auf dem Spiel stand. Ein anderes Mal sehen wir
ihn in Sorge um das leibliche Wohl von Menschen, die ihm von weither gefolgt
waren. Und bei der Auferweckung der Jairus-Tochter fällt eine liebenswürdige
Geste auf: Jesus bittet nämlich die Umstehenden, dem Mädchen etwas zu essen zu
geben.
Mit
unserer Bitte um das tägliche Brot erkennen wir an, daß unser ganzes Dasein von
Gott abhängt. Der Herr will, daß wir Tag für Tag darum bitten, damit wir ihn Tag
für Tag als den Vater erfahren, der für seine bedürftigen Kinder sorgt. Dabei
halten wir uns gegenwärtig, daß das Brot auch ein Zeichen des Teilens, der
Gemeinschaft, der Geschwisterlichkeit ist. Wir bitten solidarisch um das
tägliche Brot für uns und für alle Menschen.
II. Die
Kirchenväter deuten das Brot nicht nur als leibliche Speise, sondern sehen darin
auch das Brot des Lebens, die Seelenspeise der heiligen Eucharistie. Der Herr
selbst legt diese Deutung nahe:
Ich bin
das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind
gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand
davon ißt, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel
herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot,
das ich geben werde, ist mein Fleisch, (ich gebe es hin) für das Leben der Welt.
Johannes erinnert sich noch nach vielen Jahren genau an die Umstände jener Rede
des Herrn:
Diese
Worte sprach Jesus, als er in der Synagoge von Kapharnaum lehrte.
Dort kam
es zum Aufruhr:
Da
stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?
Und Jesus? »Als das Murren der Juden anhob, hätte der Widerspruch leicht
gestillt werden können durch die Versicherung: Freunde, regt euch nicht auf;
dies war nur eine bildliche Rede; die Speise bedeutet nur das Fleisch, ist es
aber nicht! Nichts davon im Evangelium. Jesus verzichtet auf solche Sänftigung,
er sagt nur mit neuer Nachdringlichkeit, daß dies Brot leibhaftig gegessen
werden muß. Er sagt, daß der Glaube an den menschgewordenen Gott einen
leibhaftigen Gott glaubt und daß dieser Glaube zum wahren, erfüllten Glauben,
zum Einswerden erst wird, wenn er selbst leibhaftig ist, wenn er sakramentales
Geschehen ist, in dem der leibhaftige Herr unsere leibhaftige Existenz ergreift
Im Glauben der Kirche bekennen wir den realistischen Charakter der Worte des
Herrn.
Seine
Gegenwart in uns nach dem Kommunionempfang ist nicht die geistige Präsenz des
Freundes im Freund.
Wir
bekennen, »daß
in dem erhabenen Sakrament der heiligen Eucharistie nach der Weihe (Konsekration)
von Brot und Wein unser Herr Jesus Christus als wahrer Gott und Mensch wahrhaft,
wirklich und wesentlich unter der Gestalt jener sichtbaren Dinge gegenwärtig ist
Mit anderen Worten: »Was
uns hier gegeben wird, ist nicht ein Stück Körper, nicht eine Sache, sondern es
ist er selbst, der Auferstandene - die Person, die sich uns mitteilt in ihrer
durch das Kreuz hindurchgegangenen Liebe. Dies bedeutet, daß Kommunizieren immer
ein persönlicher Vorgang ist. Es ist nie einfach ein gemeinschaftlicher Ritus,
den wir abwickeln wie irgendwelche anderen gemeinschaftlichen Verrichtungen auch.
Im
Kommunizieren trete ich in den Herrn hinein, der sich mir kommuniziert.«7 Wir
bitten jeden Tag um das tägliche Brot, wir können auch jeden Tag das Brot des
Lebens empfangen, das uns in der Eucharistie gegeben wird.
III. Das
Zweite Vatikanische Konzil nennt die Eucharistie »das Sakrament huldvollen
Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem
Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der
künftigen Herrlichkeit gegeben wird.«8
Wir
empfangen
das Brot
des Lebens als Geheimnis des Glaubens.
Als viele Jünger sich zurückzogen und Jesus die Zwölf fragte:
Wollt
auch ihr weggehen?
antwortete Petrus:
Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.Wir sind zum
Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes
»Petrus sagt nicht, er habe des Meisters Rede über das eucharistische Brot
>verstanden<, sondern er bekennt abermals für sich und für alle von Jesus
erwählten Apostel die Messianität des Meisters - die, sagt er, haben wir
>geglaubt und erkannt<.
Wir
nehmen alles an, was von dir kommt, nicht weil wir es >geprüft< und vor der
Schiedsstelle unseres Meinens und Dafürhaltens für wahr befunden haben, sondern
weil wir durch die uns geschenkte Glaubensgnade, die wir nicht zurückweisen,
erkannt haben, daß du der Heilige Gottes bist, der Messias.«10 Nicht die Haltung
der murrenden Zuhörer Jesu in der Synagoge von Kapharnaum bringt uns weiter,
sondern die des Petrus.
Die
Theologie liefert uns Annäherungsversuche an das Geheimnis. Das ist zweifellos
sinnvoll und anrengend. Aber das Eigentliche geschieht nicht im Nachdenken,
sondern in der Anbetung. Ein so durchdringender Geist wie Thomas von Aquin
nähert sich im
Adoro te
devote
der »Gottheit tief verborgen«
nicht als Fragender, sondern als gläubig Anbetender, denn: »Augen,
Mund und Hände täuschen sich in dir, doch des Wortes Botschaft offenbart dich
mir. Was Gott Sohn gesprochen, nehm' ich glaubend an; er ist selbst die
Wahrheit, die nicht trügen kann.«
Der große
Philosoph und Theologe weiß, daß das Fehlen der sinnenhaften Erfahrung die
Gewißheit nicht beeinträchtigt: »Kann ich nicht wie Thomas schaun die Wunden
rot, bet' ich dennoch gläubig: >Du mein Herr und Gott!< Tief und tiefer werde
dieser Glaube mein, fester laß die Hoffnung, treu die Liebe sein.«11
Wir
können das Geheimnis der Eucharistie nicht begreifen, wir können nur anbeten.
Josemaría Escrivá sagt uns: »Betet ihn in Ehrfurcht und Andacht an; erneuert in
seiner Gegenwart aufrichtig die Hingabe eurer Liebe; sagt ihm ohne Furcht, daß
ihr ihn liebt; dankt ihm für diesen täglichen Beweis seiner Barmherzigkeit,
voller Zärtlichkeit, und weckt in euch den Wunsch, mit tiefem Vertrauen zur
Kommunion zu gehen.
Ich kann
über dieses Geheimnis der Liebe nur staunen: Der Herr sucht mein armes Herz auf
als seinen Thron, und er wird mich nicht verlassen, wenn ich mich nicht von ihm
trenne.«12
Wir
schließen unser Gebet. Im Verlauf der Auseinandersetzung in der Synagoge von
Kapharnaum sagten die unverständigen Zuhörer, bevor sie den Herrn verließen:
Herr, gib
uns immer dieses Brot!
Wir können diesem Wunsch die Tiefe gläubiger Sehnsucht verleihen: Gib uns alles,
was wir als Menschen, die zur Gemeinschaft mit dir berufen sind, brauchen. Gib
uns das irdische Brot Tag für Tag. Wir wollen es dankbar empfangen und mit
unseren Brüdern und Schwestern teilen. Und gib uns das, was du
das Brot
des Lebens
nennst.
R.Guardini,
Vorschule
des Betens,
Mainz 1986, S.63. -
vgl.
2,1ff;
14,13-21;
5,22-43. -
6,48-51. -
6,52. -
J.Kard.Ratzinger,
Eucharistie - Mitte der Kirche,
München 1978, S.51-52. -
Konzil von Trient,
1636;
568. -
J.Kard.Ratzinger,
Eucharistie - Mitte der Kirche,
München 1978, S.55. -
II.Vat.Konz., Konst.
Sacrosanctum Concilium,
47. -
6,68. -
P.Berglar,
Petrus -
Vom Fischer zum Stellvertreter,
München 1991, S.108. -
Hymnus
Adoro te
devote.
-
J.Escrivá,
Christus
begegnen,
161. -
6,34.