JAHRESKREIS
6. WOCHE - SAMSTAG
51
IM GEBET
AUF IHN HÖREN
Verklärung Christi und die
Auferstehung des Leibes.
Auf Jesus hören.
Die Normalität des Alltags.
1
werden Petrus, Jakobus und Johannes Zeugen der Verklärung des Herrn. Er hatte
sie auf einen
hohen Berg geführt,
nur sie allein. Dort
wurde er vor
ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie
auf Erden kein Bleicher machen kann. Da erschien vor ihren Augen Elija und mit
ihm Mose, und sie redeten mit Jesus. Von Lukas erfahren wir, wovon
sie mit dem Herrn sprachen:
von seinem Ende, das sich in
Jerusalem erfüllen sollte2.
Auch während sie
den Berg hinabstiegen, nahm Jesus Bezug auf seinen Tod: er
verbot ihnen,
irgendjemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den
Toten auferstanden sei. Ein Augenblick höchster Verklärung wird
überschattet von Leiden und Tod - doch in der Düsternis verbirgt sich die Helle
der Erlösung: »Am Beginn des öffentlichen Lebens steht die Taufe, am Beginn des
Pascha die Verklärung. Bei der Taufe Jesu wurde >das Geheimnis der ersten
Neugeburt kundgetan<: unsere Taufe; die Verklärung ist >das Sakrament der
zweiten Wiedergeburt<: unsere Auferstehung. Schon jetzt haben wir an der
Auferstehung des Herrn Anteil durch den Heiligen Geist, der in den Sakramenten
der Kirche, des Leibes Christi, wirkt. Die Verklärung gibt uns eine Vorahnung
der Wiederkunft Christi in Herrlichkeit, >der unseren armseligen Leib verwandeln
wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes< (Phil
3,21). Sie sagt uns aber auch, daß wir >durch viele Drangsale ... in das Reich
Gottes gelangen< müssen (Apg
14,22).«3
Dieselben Apostel, die später in
Getsemani bei Jesus sind, werden auf dem Berg Zeugen seiner Herrlichkeit. Jesus
würdigt »den dereinstigen Stellvertreter und Nachfolger Simon Petrus, den ersten
künftigen Märtyrer-Apostel Jakobus (den Älteren) und Johannes, den menschlich
geliebten Freund, als erste Sterbliche sinnenhaft die vergöttlichte menschliche
Leiblichkeit des Herrn als eine ewige Frucht der kommenden Passion wahrzunehmen,
die vergöttlichte Leiblichkeit, die den durch Jesus Christus erlösten Menschen
nach Tod und Gericht erwartet. Sie dürfen einen Vorblick auf die Auferstehung
des Leibes tun, die der
sichtbare Ausdruck der
Erlösung ist.«4
Das Licht, das aus Christus
erstrahlte, machte Vergangenheit und Zukunft gegenwärtig. »Mose und Elias, die
mit Jesus Zwiesprache halten, haben viele Jahrhunderte vor ihm gelebt; nun aber
sind sie wirklich zur Stelle, und die Verklärung des Menschenleibes Christi, die
aus dem Kreuzestod, der der für alle Menschen zu erlegende Preis ist,
hervorgehen wird, >Zukunft< also noch, ist hier Gegenwart (...). Gott ist
Allgegenwart, und er kann in seiner Schöpfung, wann und wie immer er will,
Vergangenheit und Zukunft gegenwärtigsetzen.«5
Das Wort und das Leben Jesu enthalten
alles, was Gott der ganzen Menschheit und jedem einzelnen Menschen hat mitteilen
wollen. Auch wenn unsere Begegnungen mit Christus sich nicht im Sichtbaren
ereignen, wissen wir, daß er das Licht ist,
das wahre Licht, das jeden Menschen
erleuchtet6
- jeden Menschen und jeden Augenblick seines Lebens -
bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen7.
Dieses Bild aus dem 2. Petrusbrief meint
das Wort der Propheten,
auch das Wort des Elija und des Mose, aber ebenso können wir es heute auf unsere
Vollendung bei Gott beziehen. Das ist das Trachten unseres Lebens: In der
Gegenwart auf Vollendung hin leben, weil die Menschwerdung des Sohnes Gottes
alle Zeiten zusammenfaßt.
Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn
sollt ihr hören. Auch das Zeugnis des Vaters über den Sohn ist für
uns jetzt, in der Sammlung des Gebetes, Gegenwart.
Auf ihn sollt ihr hören
- das ist ein wesentlicher Teil des Betens. Wir sprechen mit dem Herrn über
unsere Arbeit, unsere Familie, unsere Freunde, und er spricht zu uns und will
uns zu einem Leben nahe bei sich führen.
An diesem Samstag - einem Unserer
Lieben Frau geweihten Tag - schauen wir auf Maria, um von ihr zu lernen, wie
dieses Hören sein soll. Zweimal heißt es im Evangelium:
Sie bewahrte alles, was geschehen
war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.8
Um auf Jesus zu hören, ist zuerst Sammlung der Seele nötig. Manchmal wird unser
Beten einfach im Stillsein vor Gott bestehen. Wenn man mit einem Freund zusammen
ist, stört die Stille nicht; erst im Umgang mit Menschen, die man nicht gut
kennt, fühlt man sich gedrängt, immer etwas zu sagen - und dreht es sich auch
nur ums Wetter. Ähnlich kann es dem Betenden ergehen: »Als mein Gebet immer
andächtiger und innerlicher wurde, da hatte ich immer weniger zu sagen. Zuletzt
wurde ich ganz still. Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum
Reden ist: Ich wurde ein Hörer. Ich meinte erst, Beten sei Reden. Ich lernte
aber: daß Beten nicht bloß Schweigen ist; sondern Hören. So ist es: Beten heißt
nicht, sich selbst reden hören. Beten heißt: still werden und still sein und
warten, bis der Betende Gott hört.«9
Marias Weg war ein Weg des Glaubens - eingetaucht in ein großes
Geheimnis, das ihr ein ständiges Hinhören abverlangte. Alles im Herzen erwägend,
wuchs in ihr das Verständnis für den Sinn jedes Ereignisses in ihrem Leben und
im Leben ihres Sohnes: für die Freude der eigenen Berufung, für die Nähe des
heiligen Josef in ihrem Leben, für die Armut in Betlehem, für die bange Flucht
nach Ägypten, für die Suche nach dem Zwölfjährigen in Jerusalem und die
Auffindung im Tempel und nicht zuletzt für die Zeit in Nazaret. Wir sollen unser
eigenes Leben vor dem Herrn ausbreiten: Dinge, die wir nicht verstehen,
Erlebnisse, die uns belasten, Entscheidungen, über die wir uns nicht im Klaren
sind: Herr, was erwartest du von mir in dieser Angelegenheit? Wie kann ich
besser meine Arbeit auf dich hin ausrichten? Wie dem Freund helfen?
Jede
Rede Gottes ist im Feuer geläutert; ein Schild ist er für alle, die bei ihm sich
bergen.
Wenn wir es verstehen, in unserem Herzen aufmerksam für das Wort Gottes zu sein,
erfahren wir, wie wahr die Worte des Psalmisten sind:
Dein Wort ist meinem Fuß eine
Leuchte, ein Licht für meine Pfade.11
Er fordert uns zu mehr Großzügigkeit auf, er schenkt uns Kraft und Licht für
unsere Entscheidungen.
Wie aber, wenn Gott uns nicht zu
erhören scheint? Da in Christus Vergangenes und Zukünftiges gegenwärtig sind,
dürfen wir dann Szenen aus dem Evangelium betrachten und auf unsere Situation
beziehen, in denen etwas Ähnliches geschieht. Gelegentlich könnte man meinen,
Jesus gehe an bittenden Menschen taub vorbei. Der blinde Bartimäus mußte an der
Straße von Jericho lange rufen und sich gegen jene, die ihn zum Schweigen
bringen wollten, behaupten.12
Ähnlich die kanaanäische Frau, die mit ihrem ständigen Rufen den Ärger der
Jünger hervorrief.13
Jesus kannte die Sehnsucht dieser Menschen; er wollte nur ihren Glauben prüfen.
Und einige wollte er stärken, um sie dann aussenden zu können. Auch dieser
Gedanke kann uns helfen, das Gespräch mit dem Herrn zu suchen: »Der Herr hatte
seine Jünger ausgesandt, das Reich Gottes zu verkündigen. Nachdem sie
zurückgekehrt sind, ruft er sie zusammen und lädt sie ein, sich mit ihm an einen
Ort der Stille zurückzuziehen, um sich ein wenig zu erholen. Welche Fragen wird
Jesus ihnen dort gestellt haben? Und was alles wird er ihnen erzählt haben?
Nun - das Evangelium ist auch heute
noch genauso aktuell.«14
III. Im Angesicht der Verklärung
verstummen Jakobus und Johannes, auch Petrus ist überwältigt; doch er findet
selbst jetzt - wie so oft - Worte, ȟberaus liebenswert in seiner
Ahnungslosigkeit, in seiner dienstwilligen Geschäftigkeit. Dieser Mann will dem
Himmel mit Bretterbuden zu Leibe rücken.«15 Rabbi, es ist gut, daß
wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine jür Mose und
eine für Elija. »Die Antwort auf Simons sehr naiven, aber auch doch sehr
liebevollen Vorschlag gibt Gott selbst.«16Da kam eine Wolke und warf
ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein
geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Als sie dann um sich blickten, sahen
sie aufeinmal niemand mehr bei sich außer Jesus. Das ist die Antwort Gottes: die
verhüllende Wolke, das Wort des Vaters und - das Zurück in den Alltag. Die
Normalität tritt wieder in ihr Recht.
Für uns kann diese Normalität durchaus
einmal im Sich-Abmühen, in Trockenheit beim Gebet bestehen. Solche Zustände
können eine gottgewollte Läuterung sein. Auch große Heilige haben solche Zeiten
durchgemacht. Die heilige Theresia von Avila berichtet über ihr Beten: »Ich
beschäftigte mich einige Jahre hindurch mehr mit dem Verlagen nach dem Ende der
Gebetsstunde, die ich für mich zu halten mir vorgenommen hatte, und mit Horchen
auf den Schlag der Uhr als mit anderen guten Gedanken. (...) Die Traurigkeit,
die mich beim Eintritt in das Oratorium befiehl, war fast unerträglich.«15Solche
Zustände können auch schuldhaft sein. Prüfen wir deshalb einmal, wie wir auf
Hindernisse reagieren: ob wir in Zerstreuungen einwilligen oder sie beiseite
schieben, ob wir die eigentliche Gebetszeit konzentriert oder vielleicht doch
allzu routiniert beginnen?
Dieser
ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören...
Jesus spricht zu uns im Gebet. Unwillkürlich denken wir an die Weisung Marias:
Was er euch
sagt, das tut!18
Der Herr sagt uns Tag für Tag, was wir tun sollen, durch die Eingebungen im
persönlichen Gebet, durch Anregungen in der Beichte oder im geistlichen
Gespräch.
Unsere Vorsätze müssen klar und
präzise sein, sonst bleiben sie unwirksam: »Konkrete Pläne, und zwar nicht von
einer Woche zur anderen, sondern von heute auf morgen und von jetzt auf
gleich...«19
Die täglichen Vorsätze im geistlichen
Kampf führen uns Schritt für Schritt zur Heiligkeit. Bitten wir Maria um ihren
Beistand, damit wir im Hören und im Tun beharrlich sind. Sie ist immer der Weg
zu Jesus. Vielleicht fällt uns am Ende unserer Gebetszeit ein neues Stoßgebet
ein, mit dem wir uns im Laufe des Tages an sie wenden können. Wie oft haben wir
die Szenen ihres Lebens betrachtet! Schließen wir heute mit einem Blick auf
jenen entscheidenden Augenblick, da sie ihre Berufung entdeckte und unser Heil
einleitete: »Wie liebenswert ist die Szene der Verkündigung! Wir haben sie oft
im Geiste betrachtet: Maria betet, gesammelt, Leib und Seele ganz auf das
Gespräch mit Gott gerichtet. Im Gebet erfährt sie den Willen Gottes, und betend
läßt sie diesen Willen zum Leben ihres Lebens werden. Vergiß das Beispiel
Unserer Lieben Frau nicht!.«20
Mk
9,2-13. -
2
Lk
9,31. -
3
Katechismus der Katholischen Kirche, 556. -
4
P. Berglar,
Petrus - Vom Fischer zum
Stellvertreter, München 1991, S.96. -
5
ebd., S.97. -
6
Joh
1,9. -
7
2 Petr
1,19. -
8
Lk
2,19; 2,51. -
9 S. Kierkegaard,
Ja zu
jedem Tag, Stuttgart 1984, S.90. -
10
Spr
30,5. -
11
Ps
119,105. -
12 vgl.
Mk
10,46ff. -
13 vgl.
Mt
15,21ff. -
14 J. Escrivá,
Die
Spur des Sämanns, Nr.470. -
15 P. Berglar, a.a.O.,
S.98. -
16 ebd., S.99. -
17
Theresia von Avila,
Leben, 8,7. -
18
Joh
2,5. -
19 J. Escrivá,
Die
Spur des Sämanns, Nr.222. -
20 ebd., Nr.481.