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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

Jahreskreis
23. Sonntag (Lesejahr C)

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Gewissenserforschung

Wie den Turm bauen?
Wie Augustinus: Vor Gottes Angesicht
Allgemeine und besondere Gewissenserforschung

I. Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen, oder wer begreift, was der Herr will? Unsicher sind die Berechnungen der Sterblichen und hinfällig unsere Gedanken; denn der vergängliche Leib beschwert die Seele, und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Geist.1 Die Worte aus dem Buch der Weisheit bilden einen passenden Hintergrund für das heutige Evangelium2. Der Herr spricht über die Bedingungen der Nachfolge. Er will nicht flüchtige Begeisterung, sondern nüchterne Selbsterkenntnis: Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, daß er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertigstellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten. Ein zweites Beispiel verdeutlicht es: Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend gegen ihn anrückt?

Jesus erwartet eine nüchterne Entschlossenheit in der Nachfolge, er ermahnt jeden, auf die Tragfähigkeit des Fundaments zu achten. Das Doppelgleichnis von heute liest sich wie eine Erweiterung des Gleichnisses vom Bauen auf festem Fundament am Schluß der Bergpredigt: Dort ist die Rede vom klugen Mann, der sein Haus auf Felsen baute. Als nun ein Wolkenbruch kam und die Wassermassen heranfluteten, als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut.3

Wer seinen Turm bauen will, wer seinen Krieg gewinnen will, muß klug erwägen, was er hat, was ihm fehlt, was er sichern muß. Er muß, auf das geistliche Leben übertragen, prüfen, ob die Rücklagen ausreichen, die Mauern genügend geschützt sind. Er muß wissen, was in seinem Leben korrigiert werden soll, sich fragen, ob er Anregungen zum Guten gern aufnimmt oder ob sich geistliche Mittelmäßigkeit bei ihm breitgemacht hat, ob er die Askese - die kleinen Abtötungen - vernachlässigt, sich von der Bequemlichkeit beherrschen läßt, seine eigene Ruhe als höchstes Gut ansieht...

Wie sieht das aus, wenn jemand in stetiger Wachsamkeit des Gewissens lebt? Der heilige Thomas Morus schrieb kurz vor seiner Hinrichtung an seine Tochter Margaret: »Es mag seltsam klingen, wenn ich dir sage: ein Mann kann seinen Kopf verlieren, ohne dabei an seiner Seele Schaden zu leiden. Ich hoffe zwar, Gott werde es nicht zulassen, daß ein guter und weiser Fürst die langjährigen Dienste eines treuen Untertanen mit solchem Undank vergilt. Ich will aber dennoch nicht vergessen, daß solche Fälle auf dieser Welt keineswegs unmöglich sind. Ich habe auch den Rat des Evangeliums bedacht, wonach man zuerst die Kosten berechnen soll, bevor man eine Burg zum Schutz seiner Seele erbaut. In manch einer ruhelosen Nacht, während meine Frau schlief und auch mich schlafend wähnte, überdachte ich alle Gefahren, die mir begegnen könnten. Ich zog alle Möglichkeiten in Betracht. Selbst das größte Unglück kann mich nicht unvorbereitet treffen. Oft wurde mir das Herz schwer bei solchen Gedanken; aber nicht einmal das atemberaubendste Angstgefühl konnte mich zu einer Sinnesänderung bringen.« Auf die Erwiderung seiner Tochter, wenn es wirklich zum Äußersten käme, werde er vielleicht seine Meinung doch noch ändern, dann aber sei es wahrscheinlich zu spät, antwortet Thomas: »Zu spät, meine Tochter? Ich flehe zu Gott, daß keine praktische Möglichkeit einer Rettung mehr bestehen möge, wenn ich meinen Sinn doch noch ändern wollte. Denn jede andere Haltung kann mein Seelenheil nur gefährden, besonders, wenn sie einem bloßen Angstgefühl entspringt. Deshalb möge Gott mir die Kraft verleihen, meinen bisherigen Einsichten treu zu bleiben.«4

II. »In dem Augenblick, in dem der Geist bereit ist, geht Gott in ihn ein, ohne Verzögerung und ohne Zögern (...). Du mußt ihn nicht eigens suchen, weder dort noch hier. Er ist ja nicht weiter weg als vor der Tür des Herzens. Da steht er und wartet, wen er bereit findet, ihm auftut und ihn hineinläßt. Du brauchst ihn auch nicht erst von fern her zu rufen. Er kann es ja kaum erwarten, bis du ihm auftust. Ihn verlangt tausendmal dringlicher nach dir, als du dich nach ihm sehnst.«-, Dies gilt auch für die Gewissenserforschung. Ohne die Erleuchtung des Heiligen Geistes gerät das Bemühen um Selbsterkenntnis leicht zur psychologischen Introspektion. Man sollte die Gewissenserforschung mit einem Gebet beginnen, etwa mit den Worten: Domine, videam! Rabbuni, ich möchte wieder sehen können des blinden Bartimäus - in Hoffnung auf Licht - oder mit den Worten des Petrus: Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebe.7

Die Bekenntnisse des Augustinus sind eine einzige große Gewissenserforschung - ein Meisterwerk der Psychologie, aber im Dialog mit dem Herrn: »Wie soll ich's dem Herrn vergelten, daß ich diese Dinge im Gedächtnis wiederholen kann, ohne daß meine Seele darob in Furcht gerät? Ich will dich lieben, Herr, dir danken, deinen Namen preisen, daß du mir so viel Böses und Ruchloses, das ich getan, vergeben hast. Deiner Gnade, deiner Erbarmung rechne ich es zu, daß du meine Sünden wie Eis hinweggeschmolzen hast. Deiner Gnade rechne ich auch das Nichttun anderes Bösen zu: denn wozu sonst noch wäre ich imstande gewesen.«7 In der Gegenwart Gottes ist es leichter, die Scheuklappen zu beseitigen, die uns das Blickfeld verengen können. Da ist an erster Stelle der Hochmut in seinen vielfältigen Spielarten. Oder man sieht sich wohl als Sünder, scheut sich aber, die Sünden klipp und klar beim Namen zu nennen. Es ist dann wie beim Dämon, den Jesus einmal austrieb: er war stumm. Als der Dämon den Stummen verlassen hatte, konnte der Mann reden. Daher die Mahnung: »Nimm dich zur Stunde der Gewissenserforschung vor dem stummen Teufel in acht.«8 Wer ist dieser stumme Teufel? Jene Neigung, die Wahrheit zu verdrängen, wenn sie unserem Stolz in die Quere kommt.

Darüber hinaus gefährdet die Geringschätzung des Kleinen eine gute Gewissenserforschung. Dies ebnet der Lauheit den Weg. Man vergißt dann: »Weder die Spitzhacke noch die Axt, noch die Schläge sonst eines Werkzeugs, so scharf es auch sein mag, sind die gefährlichsten Feinde des Gesteins, sondern das Wasser, das tropfenweise in die Ritzen des Felsen sickert, bis es das Gefüge sprengt. Hier liegt für den Christen die große Gefahr: die täglichen Scharmützel zu vernachlässigen, was nach und nach seine Spuren in der Seele hinterläßt, so daß sie schließlich schlaff und spröde wird, gleichgültig und unempfänglich für die Stimme Gottes.«10

Wie soll man Gewissenserforschung halten? Es gibt keine feste Regel. Wenn überhaupt eine Regel, dann sie kurz halten, damit man sich nicht ins dornige Gestrüpp des Psychologisierens verstrickt. Das regelmäßige geistliche Gespräch kann darüber hinaus helfen, manches zu konkretisieren: Habe ich die vorgesehenen Gebetsübungen eingehalten? Bin ich mir bei der Arbeit bewußt, in Gottes Gegenwart zu leben, opfere ich ihm die Arbeit auf? Bin ich geduldig, dienstbereit - oder grimmig, egoistisch - gewesen im Umgang mit den anderen zu Hause oder im Büro? Gott sei Dank, man entdeckt dann auch Situationen, in denen es einem gelungen ist, diesen oder jenen Vorsatz zu verwirklichen. Daraus erwächst oft ein neuer Vorsatz für den nächsten Tag. Und schließlich: »Schließe deine Gewissenserforschung immer mit einem Gedanken der Liebe ab, der Reue aus Liebe: für dich, für alle Sünden der Menschen. Und betrachte das väterliche Sorgen Gottes, der dir die Hindernisse wegräumte, damit du nicht stolpertest.«11

III. Solange wir leben, erfahren wir im geistlichen Kampf Siege und Niederlagen. Aber diese zwiespältige Erfahrung nimmt uns nicht die Gewißheit, daß Christus mich geliebt und sich für mich hingegeben hat12. Wer einmal die Bitterkeit des Versagens spürt, wird sich an dem Gedanken aufrichten, daß Gott uns seine Liebe niemals aufkündigt. Im Gegenteil, Niederlagen müssen uns Anlaß sein, zu seiner »Liebe und Güte unsere ganze Zuflucht zu nehmen, ähnlich wie die alten Ritter, wenn sie in ihre Rüstung stiegen. Jenes Ecce ego, quia vocasti me (1 Sam 3,6.8) - rechne auf mich, denn du hast mich berufen - ist unser Schild. Wir dürfen uns nicht von Gott entfernen, weil wir wissen, daß wir zerbrechlich sind wie Ton; vielmehr müssen wir unsere Erbärmlichkeiten bekämpfen, gerade weil Gott auf uns vertraut.«12

Im spirituellen Leben pflegt man zu unterscheiden zwischen der allgemeinen und der besonderen Gewissenserforschung, die auch Partikularexamen genannt wird. »Die allgemeine Gewissenserforschung gleicht der Abwehr. Das Partikularexamen dem Angriff. Das erste ist Panzerung, das zweite ein scharfes Schwert.= 14 Die erste ist eine tiefreichende Gesamtschau - hin zu den Wurzeln und Kräften, die unser Denken und Tun prägen. Die besondere Gewissenserforschung indessen soll darauf zielen, eine bestimmte Tugend zu erwerben oder einen dich beherrschenden Fehler auszumerzen«13.

Die allgemeine Gewissenserforschung läßt uns die momentane Situation realistisch erkennen: »Wer ein Geschäft betreibt, vernachlässigt die Buchführung nicht. - Gibt es ein wichtigeres >Geschäft< als das Geschäft des ewigen Lebens?«14 Das Partikularexamen hilft uns, im Rahmen dieser Situation Akzente im asketischen Kampf zu setzen.

Worin kann unsere besondere Gewissenserforschung bestehen? Vielleicht haben wir gemerkt, daß uns die Gegenwart Gottes allzu schnell verloren geht. Zur Zeit des Gebetes sind wir beim Herrn, aber dann - mitten in unserer Arbeit, im Familienleben oder auf der Straße - denken wir überhaupt nicht mehr an ihn. Wir möchten gerne, aber... Suchen wir Wachrüttler: ein Lesezeichen, ein Heiligenbild, eine zeitweilige unbequeme Haltung, ein Stoßgebet... Ein anderes Mal werden wir uns betrübt fragen: Warum diese Trägheit beim Aufstehen, die ich doch eigentlich gar nicht will und die obendrein nur Probleme mit sich bringt? Warum grantige Äußerungen beim Frühstück, die immer wieder den Tag mit einem Mißklang beginnen lassen? Könnte ich mir nicht vornehmen - mit ein wenig mehr Selbstkontrolle -, stattdessen ein freundliches Wort zu sagen und gelassen einen vielleicht nötigen Tadel auf später zu verschieben? Geduld zu haben gegenüber diesem oder jenem Mitarbeiter, dessen enervierende Art ich mittlerweile doch kenne; Zurückhaltung beim Gespräch über abwesende Dritte zu üben, damit es nicht in Klatsch ausartet; zuhören lernen; dankbar zu sein für kleine Aufmerksamkeiten... Wenn wir uns eine gewisse Zeitlang sorgfältig prüfen und von Mal zu Mal den Kampf präzisieren, werden wir vorankommen.

Weis 9,13-19. - 2 Lk 14,28-32. - 3 Mt 7,24-25. - 4 P. Berglar, Die Stunde des Thomas Morus, Olten 1978, S.304. - 5 Meister Eckhart, Die Gottesgeburt im Seelengrund, Freiburg 1990, S.122. - 6 Mk 10,51. - 7 Joh 21,17. - 8 Augustinus, Bekenntnisse, 2,7. - 9 J. Escrivá, Der Weg, Nr.236. - 10 ders., Christus begegnen, 77. - 11 ders., Der Weg, Nr.246. - 12 Gal 2,20. - 13 J. Escrivá, Freunde Gottes, 187. - 14 J. Escrivá, Der Weg, Nr.238. - 15 ebd., Nr.241. - 16 ebd., Nr.235.

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