JAHRESKREIS
34. WOCHE – DONNERSTAG
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PREIST DEN HERRRN
Lobpreis
der ganzen Schöpfung.
Unser Dank nach Empfang der Eucharistie.
Unwürdig und dankbar.
I. Das liturgische Jahr, das sich seinem Ende nähert, »ist die Ausfaltung der verschiedenen Aspekte des einen Pascha-Mysteriums«1. Wir feiern diese Mysterien dankbar Tag für Tag. Die göttliche Entscheidung zum Heil der Menschen »ist in der Zeit am Werk, aber seitdem sie im Pascha Jesu vollendet und der Heilige Geist ausgegossen wurde, ist das Ende der Geschichte als >Vorgeschmack< bereits vorweggenommen, und das Reich Gottes tritt in unsere Zeit ein«2.
An diesen letzten Tagen im Jahreskreis wird das liturgische Beten der Kirche überschwenglich. In den Antwortpsalmen beten wir – entnommen dem Buch Daniel – ein Gebet, das alle Menschen und die gesamte Schöpfung umfaßt und gerade inmitten höchster Not gesprochen wurde: den Lobgesang der drei jungen Männer im Feuerofen: Preist den Herrn, all ihr Werke des Herrn; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit! Preist den Herrn, Tau und Schnee, Eis und Kälte. Preist den Herrn, Licht und Dunkel.3
Die drei jungen Männer im Dienste des Nebukadnezzar hatten sich geweigert, die Götzen, die der König meine Götter nennt, und das goldene Standbild, das er errichtet hatte, anzubeten. Sie wurden in einen glühenden Feuerofen geworfen, aber sie gingen mitten in den Flammen umher, lobten Gott und priesen den Herrn4. Sie beteten zum Gott ihrer Väter, zum Gott des Bundes, dessen heilige Allmacht sich immer wieder am Volk Israel erwiesen hatte: Preist den Herrn, all ihr Werke des Herrn, lobt und rühmt ihn in Ewigkeit! Alle Werke des Herrn: das sind der Himmel und alle Gestirne. Sie werden mit besonderer Freude genannt, diese geheimnisvollen Lichter, die den Nachbarvölkern als Götter galten: Sonne und Mond und Sterne. Das ist auch alles, was vom Gewölbe des Himmels her in das Leben der Menschen eingreift: Regen und Tau, Wind, Feuer und Glut, Nächte und Tage, Licht und Dunkel, Blitze und Wolken. Und auch die ganze Erde soll den Herrn preisen, mit ihren Bergen und Hügeln, mit ihren Quellen, Meeren und Flüssen und mit allem, was darin lebt: mit den Fischen im Wasser und den Vögeln am Himmel und mit allen Tieren, wilden und zahmen. Allen gilt: Lobt und rühmt ihn in Ewigkeit.5
Aber wie sollen die vernunftlosen Wesen Gott loben und preisen? Da erscheint – als Vollender des Dankes – der Mensch: Ihr Menschen … ihr Israeliten … ihr seine Priester … ihr seine Knechte … ihr Demütigen und Frommen … Und schließlich nennen sie sich selbst, die drei Getreuen, die inmitten höchster Not nicht um Hilfe rufen, sondern anbeten und danken: Preist den Herrn, Hananja, Asarja und Mischael; lobt und rühmt ihn in Ewigkeit! (…) Denn er ist gütig; denn seine Huld währt ewig.6
Im Lichte Christi lesen, hören und beten wir diese Worte neu. Anbetend vollziehen wir »die erste Haltung des Menschen, der sich vor seinem Schöpfer als Geschöpf erkennt«7. Lobend erweisen wir Gott die Ehre, »nicht nur wegen seiner Taten, sondern weil er ist«8. Und in den Dank schließen wir jede Freude und jede Not, jedes Geschehen und jedes Bedürfnis ein: Dankt für alles9, sagt uns der Apostel.
II. Seit der Menschwerdung Gottes geschieht unser Dank durch Christus, unsern Herrn, und er umfaßt alles, was in unserem Leben geschieht. Es ist mehr als nur ein Nachklang jenes alttestamentlichen Lobpreises, es ist ein neuer Gesang, den wir nun anstimmen »mit den Engeln und Erzengeln, den Thronen und Mächten und mit all den Scharen des himmlischen Heeres den Hochgesang von deiner göttlichen Herrlichkeit«10.
Das Halleluja erklang in der Osternacht und hat uns fast das ganze Jahr hindurch begleitet: »Es hört sich eigentlich gar nicht an wie ein Wort, eher wie das Lallen eines Kindes. (…) Es ist ein hebräisches Wort, das die Kirche ähnlich wie das Amen unübersetzt als ein Gewächs aus ihrem jüdischen Mutterboden, als eine Erinnerung an ihre früheste Kindheit durch die Jahrhunderte mitheraufgebracht hat. Es handelt sich um einen Jubelruf aus den Psalmen, der soviel heißt wie >Lobet den Herrn.< (...) Es ist etwas Wunderbares zu denken, daß dieser österliche Jubelruf mit der Kirche gegangen ist seit ihren Kindertagen, daß er in allem Auf und Ab dieser nunmehr fast zweitausend Jahre immer wieder in der Nacht der Nächte landauf, landab in den Kathedralen und Dorfkirchen der ganzen Welt neu angestimmt wurde, in der Gewißheit, daß der mit der Kirche gehen wird, der hier gepriesen wird, bis er wiederkommt auf den Wolken des Himmels.«11
In dieser Gewißheit preisen wir nach der Wandlung Tod und Auferstehung des Herrn und stimmen uns ein auf die Kommunion. Besonders diese Zeit – und die Zeit der Danksagung danach – ist geeignet, uns im Geist mit allen Geschöpfen zu vereinigen, die Gott loben, jedes auf seine Art. Und wir denken wahrscheinlich auch an die Menschen, die nicht zu danken wissen oder das Danken vergessen haben.
Der heilige Thomas hat im Adoro te devote diese Stimmung schlicht und tief erfaßt: »Gottheit tief verborgen, betend nah‘ ich dir«12. Hier zeigt sich eine andere Gestalt des Dankes: weniger überschwenglich, dafür gesammelt und ehrfürchtig, weil Gott zu uns kommt. Aus dem Danken erwächst Großzügigkeit gegenüber dem Herrn: meistens werden wir ihm einige Minuten widmen können, bevor wir uns an die Arbeit begeben. Es wird in uns der Wunsch wachsen, oft zur heiligen Messe zu gehen und sie zur Mitte unseres Tages werden zu lassen. Der selige Josemaría Escrivá pflegte den Tag in zwei Hälften einzuteilen: in eine morgendliche Zeit des Dankes für die gefeierte Messe und eine Zeit der Vorbereitung am Nachmittag auf die Messe des nächsten Tages. Vielleicht gelingt es auch uns, Tag und Messe so zu verbinden.
III. Das Evangelium spricht von der Wiederkunft des Herrn am Ende der Zeiten. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen.13 »Christus hat vor seiner Himmelfahrt gesagt, die Stunde sei noch nicht da, um das von Israel erwartete messianische Reich herrlich zu errichten. (…) Die jetzige Zeit ist nach dem Wort des Herrn die Zeit des Geistes und des Zeugnisgebens, aber auch noch eine Zeit der >Not< (1 Kor 7,26) und der Prüfung durch das Böse, das selbst die Kirche nicht verschont und die Kämpfe der letzten Tage einleitet. Sie ist eine Zeit des Harrens und des Wachens.«14
Das Kommen, das wir hoffend bekennen, ist in der Kommunion ein Kommen zum einzelnen, in der persönlichen Erfahrung des Herzens. Macht und Herrlichkeit des Erlösers liegen hier noch verborgener als auf Golgota: »Einst am Kreuz verhüllte sich der Gottheit Glanz, hier ist auch verborgen deine Menschheit ganz.«15 »Die gleiche Eucharistiefeier, die zum Gedächtnis dessen gefeiert wird, der uns in seiner messianischen Sendung durch sein Wort und sein Kreuz den Vater geoffenbart hat, beweist die unerschöpfliche Liebe, durch die er immer danach strebt, sich mit uns zu verbinden und mit uns einszuwerden, indem er allen Menschenherzen entgegenkommt.«16 Wir nähern uns im Glauben »der Gottheit tief verborgen« der Menschensohn, der Menschen und Geschichte richten wird, ist derselbe, der auf den Straßen Palästinas predigte, Machtzeichen an Menschen wirkte, aber auch schlicht bei ihnen einkehren wollte: in Betanien, bei Zachäus, im Haus des Matthäus, des Petrus» Wieviele Anregungen liefern uns diese Begegnungen im Evangelium, wenn wir mit der Liturgie sprechen: Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach. »Wenn du den Herrn in der Eucharistie empfängst, danke ihm aus tiefstem Herzen, weil er in seiner Güte bei dir weilt.
Hast du niemals in Ruhe bedacht, wie Jahrhundert um Jahrhundert verging, bis der Messias kam? Die Patriarchen, die Propheten, das ganze Volk Israel, die flehten: Komm, Herr, die Erde dürstet nach dir!
Sehnst du dich nach ihm mit derselben Inbrunst?«17
Die Kirche hält viele liturgische Gebete bereit – wir haben hier einige kurz betrachtet -, um uns den Dank nach dem Empfang der Eucharistie zu erleichtern. Manchmal werden wir sie nicht brauchen. Andere Male werden wir demütig eingestehen, daß Müdigkeit oder Einfallslosigkeit uns daran hindern, mit eigenen Worten zu danken. Greifen wir dann auf diesen Schatz der Liturgie zurück. Es ist eine andere Form zu bekennen: Herr, ich bin nicht würdig …
Katechismus der Katholischen Kirche, 1171. – 2 ebd., 1168. – 3 Dan 3,68-69.72. – 4 Dan 3,24. – 5 Dan 3,52 ff. – 6 Dan 3,88-89. – 7 Katechismus der Katholischen Kirche, 2628. – 8 ebd., 2639. – 9 1 Thess 5,18. – 10 Präfation für die Sonntage im Jahreskreis. – 11 B.Fischer, Von der Schale zum Kern, Freiburg 1979, S.64. – 12 Hymnus Adoro te devote. – 13 Lk 21,26-27. – 14 Katechismus der Katholischen Kirche, 672. – 15 Hymnus Adoro te devote. – 16 Johannes Paul II., Enz. Dives in misericordia, 13. – 17 J.Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr.991.
