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JAHRESKREIS
32. SONNTAG (LESEJAHR C)

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DIE WÜRDE DES LEIBES

Jesus verkündet die Auferstehung.
Auch der Leib nimmt an der Verherrlichung teil.
Die Gotteskindschaft vollendet sich mit der Auferstehung des Leibes.

Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.1 Das, was wir im Credo bekennen, bildet heute die Sinnmitte der Meßtexte. Die erste Lesung2 berichtet vom Martyrium der Makkabäischen Brüder, die mit ihrer Mutter lieber den Tod als die Untreue gegen das Gesetz des Herrn auf sich nahmen. Während sie gefoltert werden, bekennen sie ihren Glauben an ein Leben jenseits des Todes: Gott hat uns die Hoffnung gegeben, daß er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben.

Zur Zeit Jesu war der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele allgemein verbreitet. Infragegestellt wurde sie nur von den Sadduzäern. Sie »leugneten mit ihrer Ablehnung der Lehre der Prädestination (Vorherbestimmung) jeden göttlichen Einfluß auf die guten und schlechten Taten des Menschen: Alles sei in seine eigene Hand gelegt, er allein sei für Glück und Unglück verantwortlich. Sie glaubten weder an die Unsterblichkeit der Seele noch an eine Wiederauferstehung der Toten, noch an Lohn und Strafe nach dem Tode.«3 Einige von ihnen treten heute im Evangelium auf, um Jesus lächerlich zu machen.

Nach dem Leviratsgesetz war der Bruder eines ohne Nachkommen gestorbenen Mannes verpflichtet, die Witwe zu heiraten, um dem Verstorbenen Nachkommenschaft zu sichern und den Namen der Familie nicht aussterben zu lassen. Wie ist es dann – so fragen sie Jesus – im Falle der sieben Brüder, die der Reihe nach die Frau heirateten, ohne Nachkommenschaft zu hinterlassen? Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. Aus einer absurden Situation ergibt sich in ihren Augen die Absurdität des Auferstehungsglaubens.

Die Antwort des Herrn ist von tiefer Schlichtheit. Er legt die Geistlosigkeit der Frage bloß, indem er das Ganze auf eine höhere Ebene stellt: er verweist auf die Andersartigkeit des ewigen Lebens, das keine bloße Fortsetzung irdischer Zustände ist, und ebenso auf die andere Qualität des Auferstehungsleibes: sie werden dann nicht mehr heiraten (…), weil sie den Engeln gleich und durch die Auferstehung Söhne Gottes geworden sind.

Mit einem Zitat aus den Heiligen Schriften4 zeigt der Herr seinen Widersachern, daß ihr vernünftelndes Vorurteil zu kurz greift: Mose habe den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und und den Gott Jakobs genannt. Gott ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebendigen; denn für ihn sind alle lebendig. Die Patriarchen – dem Leibe nach längst gestorben – sind also mit ihrer unsterblichen Seele Lebende bei Gott. Der Evangelist schließt mit der Bemerkung: Und man wagte nicht mehr, ihn etwas zu fragen.5

»Wenn es keine Auferstehung gibt, dann fällt das ganze Glaubensgebäude zusammen, wie der heilige Paulus nachdrücklich betont (vgl. 1 Kor 15). Wenn für die Christen nicht sicher feststeht, welches der Inhalt der Worte >ewiges Leben< ist, dann zerrinnen die Verheißungen des Evangeliums und die Bedeutung von Schöpfung und Erlösung, und selbst das irdische Leben wird jeglicher Hoffnung beraubt (vgl. Hebr 11,1).«6

Gegenüber den Formen des theoretischen oder praktischen Materialismus unserer Zeit bekennen wir, daß das, wodurch der Mensch »am meisten nach dem Bild Gottes ist« »das geistige Lebensprinzip im Menschen= 7 -, nicht stirbt. Die Seele geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen= 8. Der ganze Mensch ist also zum ewigen Leben bei Gott berufen. Deshalb soll der Mensch als Ganzes – mit seinem Denken, Fühlen und Handeln – auf das Ziel ausgerichtet sein, das wir im Credo bekennen: auf das Leben in der Vollendung. Wir gehören ganz Gott, mit Seele und Leib, mit Fleisch und Blut, mit unseren Sinnen und unseren Vermögen.«7

II. Die Heilige Schrift lehrt uns den geheimnisvollen Zusammenhang von Tod und Sünde: Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten10. Aber ebenso lehrt uns der Glaube, daß durch Christi Auferstehung der Tod seinen Stachel verloren hat: Durch seinen Tod hat er unseren Tod vernichtet und durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen11.

Im Tod Christi wird der Tod zum erlösenden Tod. »Christus, >der Erstgeborene der Toten< (Kol 1,18), ist der Urheber unserer eigenen Auferstehung, schon jetzt durch die Rechtfertigung unserer Seele und dereinst dadurch, daß er unseren Leib lebendig machen wird.«12

Was aber heißt »auferstehen« Im Katechismus der katholischen Kirche lesen wir: »Im Tod, bei der Trennung der Seele vom Leib, fällt der Leib des Menschen der Verwesung anheim, während seine Seele Gott entgegengeht und darauf wartet, daß sie einst mit ihrem verherrlichten Leib wiedervereint wird. In seiner Allmacht wird Gott unserem Leib dann endgültig das unvergängliche Leben geben, indem er ihn kraft der Auferstehung Jesu wieder mit unserer Seele vereint Dies wird am Ende der Zeiten geschehen, wenn die Seele als »forma corporis« wieder mit dem Leib verbunden sein wird. Es klingt wie eine Absage an alle übersteigerten Spiritualismen, wenn der heilige Thomas au den Einwand, die Seele, endgültig vom Leibe befreit, sei doch eben darin Gott, dem reinen Geist, ähnlicher, antwortet: »Die mit dem Leibe vereinte Seele ist Gott ähnlicher als die vom Leibe getrennte, weil jene auf vollkommenere Weise ihre Natur besitzt.«14

Die Auferstehung ist das Fundament unseres Glaubens. Die Kirche hat von Anfang an die Auferstehung Christi verkündet und – von ihr her – unsere eigene Auferstehung.

Daß auch der Leib zur Verherrlichung Gottes berufen ist, läßt uns besser die Würde eines jeden Menschen begreifen, seine unverwechselbare Eigenart, verschieden von allen anderen Wesen der Schöpfung. Die Würde des Menschen und seine Erhabenheit gegenüber allen anderen Wesen der Schöpfung ist nicht allein in der Geistigkeit und Freiheit seiner Seele begründet. Auch sein Leib – zur Auferstehung bestimmt – besitzt eine große Würde, was Paulus schreiben läßt: Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt?15

Der Leib ist weder der Kerker der Seele noch Ballast für sie, er hat Anteil an unserer Berufung und Sendung. Gott hat beide – Leib und Seele – füreinander geschaffen.

III. Die einzigartige Würde des Menschen erreicht durch die Menschwerdung des Wortes ihre höchste Fülle. Denn jeder Mensch »ist vom Geheimnis der Erlösung betroffen, mit jedem ist Christus für immer durch dieses Geheimnis verbunden. Jeder Mensch, der im Mutterschoß empfangen und von seiner Mutter in die Welt hineingeboren wird, ist gerade wegen dieses Erlösungswerkes der Obhut der Kirche anvertraut. Ihre Sorge schaut auf den ganzen Menschen und ist ihm in einzigartiger Weise zugewandt. Sie kümmert sich um den Menschen in seiner individuellen, unwiederholbaren Wirklichkeit, in der unzerstörbar das Bild und Gleichnis Gottes enthalten ist.«16

Der heilige Thomas schreibt im Kommentar zum Römerbrief, die durch die Gnade in der Seele begonnene Gotteskindschaft werde durch die Verherrlichung des Leibes vollendet. Er zitiert die Worte des heiligen Paulus: Unsere Heimat aber ist der Himmel. Von dort erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann.17

Unser Leib, jetzt Hinfälligkeit, Tod und Verwesung ausgesetzt, wird verherrlicht werden. Wir dürfen ihn nicht verachten. Aber wir dürfen ihn auch nicht so erhöhen, als wäre er die einzige menschliche Wirklichkeit. Wir spüren auch im Leib die Unordnung der Erbsünde. Daher ist ein wichtiger Teil der christlichen Askese das Bestreben, nicht nur der Seele, sondern auch dem Leib zu gebieten und beide harmonisch einander zuzuordnen. Daher der geistliche Rat: »Dem Körper muß man etwas weniger geben als notwendig. Sonst übt er Verrat.«18 Im Hintergrund steht das Wort des heiligen Paulus: Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!19

Papst Johannes Paul II. bemerkt, daß der Apostel diese Worte mit einer wichtigen Mahnung verbindet: »Die Reinheit, diese Tugend oder Fähigkeit, >seinen Leib in heiliger und ehrbarer Weise zu bewahren<, verbunden mit der Gabe der Frömmigkeit als Frucht der Wohnung des Heiligen Geistes im >Tempel< des Leibes, bewirkt in diesem eine solche Fülle von Würde in den zwischenmenschlichen Beziehungen, daß Gott selbst im Leib verherrlicht wird. Die Reinheit ist die Herrlichkeit des menschlichen Leibes vor Gott. Sie ist die Herrlichkeit Gottes im menschlichen Leib, durch den sich der Mensch als Mann oder Frau zu erkennen gibt. Aus der Reinheit fließt jene einzigartige Schönheit, die alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens durchdringt und erlaubt, die Schlichtheit und Tiefe, die Herzlichkeit und unnachahmliche Echtheit des persönlichen Vertrauens auszudrücken.«20

Maria lebt in jenem Zustand der Vollendung, den wir im Glauben erhoffen: sie wurde mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen. Sie möge uns an unsere erhabene Bestimmung erinnern, damit wir hier auf Erden auch im Leibe Gott verherrlichen.

Das Große Glaubensbekenntnis. – 2 2 Mak 7,1-2;9-14. – 3 G.Kroll, Auf den Spuren Jesu, Stuttgart 1988, S.187. – 4 Ex 3,6. – 5 Lk 20,27-40. – 6 Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen Fragen der Eschatologie, 17.5.1979. – 7 Katechismus der Katholischen Kirche, 363. – 8 ebd., 366. – 9 J.Escrivá, Freunde Gottes, 177. – 10 Röm 5,12. – 11 Präfation für die Osterzeit I. – 12 Katechismus der Katholischen Kirche, 658. – 13 ebd., 998. – 14 Thomas von Aquin, Quaest. disp. de potentia Dei, 5,10,ad 5. – 15 1 Kor 6,19. – 16 Johannes Paul II., Enz. Redemptor hominis, 13. – 17 Phil 3,20-21. – 18 J.Escrivá, Der Weg, Nr.196. – 19 1 Kor 6,20. – 20 Johannes Paul II., Ansprache, 18.3.1981.